Greifswald (dpa/mv). Damit die Justiz bei der Energiewende nicht zum Flaschenhals wird, fordert der Präsident des Oberverwaltungsgerichts genügend Richter. Eine andere Verfahrenswelle ist gerade erst abgeflaut.

Für das Gelingen der Energiewende im Nordosten ist ausreichend Personal am Oberverwaltungsgericht in Greifswald nach Ansicht des dortigen Präsidenten «von herausragender Bedeutung». Mit Blick auf Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen und etwaige Klageverfahren sagte Eckhard Corsmeyer am Donnerstag in Greifswald: «Wir können nur ganz grob schätzen, was da auf uns zukommt.»

Seit einer Gesetzesänderung sei das OVG für alle Windkraftanlagen über 50 Meter Höhe zuständig. Das betreffe heutzutage praktisch alle Anlagen. Nach konservativen Schätzungen brauche man eine zusätzliche Richterstelle. Diese war seines Wissens auch im neuen Landeshaushalt vorgesehen, wie Corsmeyer sagte. Darüber hinaus müsse man das tatsächliche Aufkommen genau beobachten, und gegebenenfalls schnell nachsteuern, damit die Justiz nicht zum Flaschenhals werde. Trotz derzeit erforderlicher Sparmaßnahmen sei eine angemessene Personalausstattung der Gerichte «von entscheidender Bedeutung auch für das Erreichen wichtiger politischer Ziele».

Die Sicherung des Nachwuchses für das OVG sowie die beiden Verwaltungsgerichte in Schwerin und Greifswald sei angesichts einer bevorstehenden Pensionierungswelle ohnehin eine Herausforderung. Man rechne damit, dass man mit Einsetzen der Welle innerhalb von fünf Jahren etwa die Hälfte der Richterposten neu besetzen müsse. Bei vielen der Stellen gehe es um Führungspositionen. «Das ist natürlich in so einer Organisation ein gravierender Einschnitt.»

Derzeit gebe es an den Gerichten 59 Richterinnen und Richter. Davon seien allerdings drei abgeordnet etwa an Ministerien.

Nicht nur der Ausbau der Windenergie wird nach Einschätzung des Präsidenten zu mehr Arbeit führen. Auch andere Energie-Projekte wie der Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur oder die angedachte Anlandung von zusätzlichem Öl und Flüssiggas (LNG) im Nordosten dürften dazu beitragen.

Corsmeyer unterstrich eindrücklich die Bedeutung einer funktionierenden Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie ermögliche die Überprüfung und gegebenenfalls auch die Aufhebung staatlicher Entscheidungen und trage so zur Akzeptanz staatlicher Entscheidungen bei. In der Corona-Pandemie hatte das Oberverwaltungsgericht wiederholt Corona-Beschränkungen der Landesregierung gekippt.

Corona-Verfahren haben die Gerichte nach Aussage Corsmeyer enorm belastet. Mittlerweile seien die meisten Verfahren abgearbeitet oder hätten sich anderweitig erledigt. Insgesamt seien beim OVG mehr als 300 solcher Verfahren eingegangen.

Anlass der Pressekonferenz war, dass das OVG und die Verwaltungsgerichte in Greifswald und Schwerin vor 30 Jahren nach einer Neuordnung der Justiz ihre Arbeit aufgenommen haben. Seitdem seien bis Ende Mai diesen Jahres 213.709 Verfahren bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Mecklenburg-Vorpommern eingegangen. Die Bandbreite ist dabei groß: Anfang der 1990er Jahre ging es laut Corsmeyer vor allem um Vermögensfragen im Zusammenhang mit der Wende, aber auch um Asylrechtsfragen. Auch nach 2015 sei die Anzahl der Asylverfahren erneut stark angestiegen.