Rostock. Die Zustände in den Pflegeeinrichtungen müssen schwer vorstellbar gewesen sein. Von “Dreckslöchern“ war vor Gericht die Rede. Nun zog das Landgericht in Rostock die damalige Betreiberin zur Rechenschaft.

Das Landgericht Rostock hat eine frühere Pflegeheimbetreiberin aus dem Landkreis Rostock am Freitag wegen mehrerer schwerwiegender Vergehen zu einer Gefängnisstrafe von insgesamt vier Jahren verurteilt. Die Richter sahen zum Ende des Berufungsprozesses die Tatvorwürfe der Freiheitsberaubung in zehn Fällen, der Misshandlung Schutzbefohlener, der Körperverletzung durch Unterlassen und des Betrugs als bestätigt an. Im Laufe der Verhandlung hätten sich "Abgründe menschlicher Gewinnsucht" aufgetan, zitierte eine Gerichtssprecherin aus der Urteilsbegründung.

Die Richter der zweiten Instanz gingen mit ihrem Urteil deutlich über das bisherige Strafmaß hinaus. Das Amtsgericht Güstrow hatte im August 2019 eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gegen die Frau verhängt. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung waren dagegen in Berufung gegangen.

Bis zur behördlichen Schließung im Jahr 2016 hatte die Frau in Krakow am See zwei Pflegeeinrichtungen betrieben. Nach Angaben der Gerichtssprecherin fanden die Richter klare Worte für die Verhältnisse in den Unterkünften. Senioren seien unter menschenverachtenden Bedingungen zum Teil in "Dreckslöchern" untergebracht gewesen.

Eine Frau etwa sei in einem Zimmer unter dem Dach schwer vernachlässigt und kaum mit Getränken versorgt worden. Sie sei so ausgedörrt gewesen, dass sie mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus habe gebracht werden und für gut eine Woche am Tropf habe hängen müssen, hieß es. Ihr sprachen die Richter ein Schmerzensgeld von 8000 Euro zu.

Neben der Haftstrafe verfügte das Gericht gegen die Frau ein fünfjähriges Berufsverbot für den Pflegebereich. Dieses Verbot werde erst mit Rechtskraft des Urteils wirksam, hieß es. Das ist noch nicht der Fall, Revision ist möglich.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer am Mittwoch vier Jahre Gefängnis und ein lebenslanges Berufsverbot gefordert. Die Verteidigung sah der Gerichtssprecherin zufolge den Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt, nicht aber die anderen Anklagepunkte. Ohne ein Strafmaß zu nennen, plädierte sie demnach auf ein deutlich milderes Urteil. Zu Prozessbeginn hatte die Verteidigung noch Freispruch zum Ziel erklärt.

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