Schwerin. Wegen ihres lange russlandfreundlichen Kurses steht die Schweriner Regierungschefin Schwesig in der Kritik. Ein Grund ist die von ihr mit vorangetriebene Klimastiftung MV, mit deren Hilfe Nord Stream 2 fertigstellt wurde. Die Hintergründe werden nun genauer beleuchtet.

Die erste Sitzung war schnell vorbei und die Reaktionen danach legten die konträren Interessen von Regierungs- und Oppositionslager am Freitag im Schweriner Landtag offen: Die CDU erwartet vom Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorgänge rund um die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommerns Belege dafür, dass Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) den Stiftungszweck verschleierte und deutlich enger eingebunden war als bislang zugegeben. Ziel der SPD ist es, drohenden Schaden von der Regierungschefin abzuwenden. Seit Monaten steht Schwesig wegen ihres lange Zeit russlandfreundlichen Kurses und ihres offensiven Eintretens für die Fertigstellung der russisch-deutschen Gaspipeline Nord Stream 2 in der Kritik.

Der von CDU, Grünen und FDP im Landtag initiierte Sonderausschuss soll die Unterstützung des Pipelinebaus durch die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns eingehend unter die Lupe nehmen. Im Zentrum der Nachforschungen stehen dem Einsetzungsbeschluss zufolge die Vorgänge rund um die Klimastiftung des Landes. Die maßgeblich mit Geld aus russischen Gasgeschäften finanzierte Stiftung war im Januar 2021 gegründet worden. Neben Projekten zum Klimaschutz sollte sie auch die Fertigstellung der Ostsee-Pipeline unter Umgehung drohender Sanktionen der USA unterstützen und machte dies auch.

Nach Einschätzung des CDU-Abgeordneten Sebastian Ehlers fiel die wirtschaftliche Betätigung der Stiftung zugunsten der Gazprom-Tochter Nord Stream 2 deutlich umfangreicher aus als bei Gründung der landeseigenen Stiftung von Schwesig behauptet. Und anders als angekündigt, seien die meisten von der Stiftung vergebenen Aufträge auch nicht an heimische Unternehmen gegangen. "Schon diese Erkenntnisse stehen in krassem Widerspruch zu den bisherigen Aussagen der Verantwortlichen", konstatierte Ehlers. Der Ausschuss solle nun klären, "wer wann was wusste", wie groß der Einfluss Gazproms auf die Stiftung war und wohin Geldflüsse aus Moskau gingen.

Die Nord Stream 2 AG mit dem russischen Staatskonzern Gazprom als Mehrheitseigner hatte 20 Millionen Euro für Klimaschutz-Projekte bereitgestellt. Allerdings schleuste das Unternehmen jüngsten Angaben zufolge über die Stiftung auch etwa 165 Millionen Euro in den Pipeline-Bau. Das Land selbst hatte 200.000 Euro als Stiftungseinlage beigesteuert.

Für die SPD mahnte der Abgeordnete Thomas Krüger eine "Versachlichung der Debatte" an. Die Landesregierung sei vom Landtag ohne Gegenstimme beauftragt worden, die Stiftung zu gründen. Zu jeder Zeit sei offen über beide Zwecke der Stiftung kommuniziert worden. "Es ist deshalb an der Zeit, die vielen falschen Behauptungen über angebliche Verstrickungen, Verschleierungen und Korruption zu entlarven", erklärte Krüger. Die SPD-Fraktion werde zur Aufarbeitung im Ausschuss beitragen, erwarte aber keine neuen Erkenntnisse. Krüger warf der Opposition vor, "parteipolitisch Kapital" aus den Debatten ziehen zu wollen, die seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine laufen.

Die auch mit Zustimmung der CDU gegründete Stiftung für Klima- und Umweltschutz MV war von Anfang an umstritten. Kritiker sprachen von einer Fake-Stiftung, bei der der Klimaschutz nur den eigentlichen Zweck bemänteln sollte, Nord Stream 2 fertigzustellen. Die Landesregierung räumte bereits ein, dass Vertreter von Nord Stream 2 direkt Einfluss auf die Formulierung der Stiftungssatzung nahmen. Die Gasleitung ist mittlerweile fertig, doch bekam sie wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine keine Betriebserlaubnis.

Schwesig hat ihr Agieren gegenüber Russland inzwischen als Fehler bezeichnet, steht aber weiterhin in der Kritik. Die Initiatoren des Untersuchungsausschusses wollen die Schweriner Regierungschefin als Zeugin laden und unter anderem ihren Amtsvorgänger und Stiftungschef Erwin Sellering sowie den Gazprom-Lobbyisten und Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (alle SPD). Wann sie gehört werden sollen, ist noch unklar. Vor der parlamentarischen Sommerpause soll zunächst in einer Sondersitzung am 28. Juni über Beweisanträge beraten und abgestimmt werden.

Nach Angaben von FDP-Fraktionschef René Domke reichten FDP, CDU und Grüne gemeinsam zunächst 24 Beweisanträge ein, einen die SPD. "Die Nähe zum Machtzirkel um Putin, die mögliche Einflussnahme auf politische Entscheidungen, die Einhaltung von Recht und Gesetz", das seien die Kernfragen, mit denen sich der Ausschuss befassen werde. "Der heutige Tag markiert das Ende des elendigen Katz- und Maus-Spiels um das Aushändigen von Informationen, das Versteckspiel um Vorgänge, Unterlagen, Personen und Verflechtungen", sagte Domke.

"Die Zeit des Schummelns und Tricksens ist vorbei", machte auch Hannes Damm von den Grünen deutlich. Er gehe davon aus, dass von der Regierung noch längst nicht alle Daten zur Stiftung auf den Tisch gelegt wurden. "Wir werden aufklären, wie genau die russische Einflussnahme auf unser Bundesland vonstatten ging und welche Rolle Manuela Schwesig, die Landesregierung und die MV-SPD dabei gespielt haben", sagte Damm.

Das von Schwesig und auch vom Landtag angestrebte rasche Ende der Stiftung scheiterte bislang am Widerstand des Vorstandes. Sellering macht rechtliche Bedenken gegen eine Stiftungsauflösung geltend, kündigte für September aber seinen Rückzug von der Vorstandsspitze an. Ob der Weg damit für die Stiftungsauflösung frei wird, ist unklar.

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