Schwerin. Landärzte werden bundesweit gesucht. Ein Umstand, der einer Medizinerin aus Kirgistan womöglich in die Karten spielte. Mit gefälschten Papieren erhielt sie eine Zulassung als Vertragsärztin. Nun steht sie wegen Betrugs vor Gericht.

Am Landgericht Schwerin hat der Prozess gegen eine 42-jährige Medizinerin aus Kirgistan begonnen. Die Staatsanwältin warf der Angeklagten am Dienstag vor, die Kassenärztlichen Vereinigungen in Mecklenburg-Vorpommern und in Bayern um rund 837.000 Euro betrogen und einen falschen Doktor-Titel getragen zu haben. Durch ihren Verteidiger ließ die Angeklagte zum Prozessauftakt die Vorwürfe einräumen.

Laut Anklage soll sich die Frau 2014 mit Kopien von gefälschten Urkunden, die angeblich ihre Promotion und ihre Facharztausbildung belegten, eine Eintragung ins Ärzteregister und die Zulassung als Vertragsärztin erschlichen haben. Zunächst betrieb sie von April 2014 bis Ende 2016 eine Hausarzt-Praxis in Torgelow (Kreis Vorpommern-Greifswald). Dann wechselte sie nach Neustrelitz (Kreis Mecklenburgische Seenplatte), wo sie bis Mitte 2018 praktiziert haben soll.

Während ihrer gut vier Jahre in Mecklenburg-Vorpommern rechnete sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung des Landes rund 1,16 Millionen Euro an Honoraren ab, wie ein Justiziar des Ärzteverbandes als Zeuge berichtete. Strafrechtlich sei knapp die Hälfte der Abrechnungen verjährt, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Deshalb stünden für den Betrugsprozess rund 626.000 Euro in Rede, auf die die Frau mangels einer korrekten Zulassung keinen Anspruch gehabt habe.

Von 2018 bis 2019 betrieb die Angeklagte im bayerischen Landkreis Ansbach zwei weitere Praxen, für die sie rund 144.000 Euro an Fördergeldern und 67.000 Euro an Honoraren zu Unrecht kassiert haben soll. Mitte 2019 verließ die Angeklagte Deutschland, weil ihr Schwierigkeiten mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern drohten, erklärte ihr Verteidiger. Sie wurde später in Schweden festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert. Seither sitzt sie wegen Fluchtgefahr in Mecklenburg-Vorpommern in Untersuchungshaft.

Der Verteidiger berichtete, der Ehemann der Angeklagten habe 2013 die gefälschten Urkunden zur Promotion und zur deutschen Facharztausbildung besorgt. Die Angeklagte habe sich damit abgefunden und es billigend in Kauf genommen, dass diese Papiere vor ihrer Zulassung nicht näher geprüft worden seien. Sie habe ihre Patienten "nach bestem Wissen und Gewissen" behandelt, ließ sie versichern. Schließlich habe sie in Kirgistan Medizin studiert.

Ihre in Bayern bescheinigte medizinische Grundausbildung bezweifelte auch die Staatsanwaltschaft nicht. Beschwerden über die Angeklagte seien bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Schwerin nur wenige eingegangen, berichtete der Zeuge. Dabei hätten sich Patienten über mangelnde Deutschkenntnisse der Ärztin beschwert.

Der Prozess wird am Freitag (10.12.) fortgesetzt.

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