Wer hat zuerst zugestochen? Staatsanwaltschaft und Verteidigung behaupten jeweils das Gegenteil. Nun muss das Gericht entscheiden.

Rostock (dpa/mv) – Im Prozess um eine lebensgefährliche Messerattacke auf einen Mann in Güstrow hat die Staatsanwältin für den 23-jährigen Angeklagten lebenslange Haft wegen versuchten Mordes beantragt. Er habe das Opfer, bei dem es sich um einen guten Freund handelte, im März dieses Jahres in dessen Wohnung ohne erkennbaren Grund töten wollen, sagte sie am Mittwoch vor dem Landgericht Rostock.

Der Angeklagte hatte dem gleichaltrigen Opfer demnach 29 Messerstiche versetzt. Das Opfer habe sich nach einem längeren Kampf aus einem Fenster in den Hinterhof retten können und überlebte dank einer Notoperation. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft den mutmaßlichen Täter wegen versuchten Totschlags angeklagt.

Laut Staatsanwältin hatte der Angeklagte eine Scheinwelt um sich herum aufgebaut, in der er häufig gelogen habe. So habe er etwa seine Freundin in dem Glauben gelassen, er würde täglich zur Arbeit in einer Spedition gehen. Stattdessen habe er viele Tage mit dem späteren Opfer verbracht, von dem er auch Drogen bezogen habe. Am Tag der Tat hätten die beiden auch über 85 Euro Drogen-Schulden gesprochen, das Opfer aber habe darin kein Problem gesehen.

Als der Mann Essen für sich und seinen Freund zubereiten wollte, sei dieser an den arg- und wehrlosen Mann von hinten mit einem Küchenmesser herangetreten und habe auf ihn eingestochen. Nach dem ersten Stich habe sich ein Gerangel entwickelt, das sich durch die ganze Wohnung gezogen habe. Nachdem das Opfer aus dem Fenster geflüchtet war, habe der Angeklagte erneut gelogen, indem er sich ans Fenster stellte und für sich um Hilfe gerufen habe.

Der Verteidiger forderte hingegen einen Freispruch für seinen Mandanten. Der Angeklagte habe in Notwehr gehandelt, auch wenn diese exzessiv gewesen sein mag. Der andere Mann habe ihn wegen eines Streits um Drogen-Schulden in Höhe von 85 Euro mit einem Messer zuerst attackiert. Der Angeklagte habe ihm das Messer aus der Hand schlagen können und selbst dreimal zugestochen. An weitere Details könne er sich nicht erinnern. Die vielen Verletzungen des anderen Mannes würden nicht ausschließen, dass dieser angefangen habe, so der Verteidiger. Das Urteil soll am 5. November verkündet werden.

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