Mühlengeez. Die Bauern in Deutschland sind zwiegespalten. Die einen jubeln über gestiegene Getreide- und Rapspreise. Bei Tierhaltern wachsen dagegen die Sorgen. Aus Mecklenburg-Vorpommern kommt deswegen die Forderung nach einer Fleischabgabe.

Deutschlands Landwirte brauchen nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus ein einheitliches staatliches Tierwohllabel. Der Umbau der Tierhaltung würde rund 11 Milliarden Euro kosten, die der Bund tragen müsste, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Mühlengeez (Landkreis Rostock). Dort nahm Backhaus an einer Debatte über die Nutztierhaltung mit rund 400 Landwirten beim Bauerntag der Agrarmesse MeLa teil. Das Vorhaben werde inzwischen von einer Mehrheit der Bundesländer unterstützt, erklärte Backhaus, der seit 23 Jahren Agrarminister ist.

Diese Maßnahme solle über eine Fleischabgabe finanziert werden, die etwa 40 Cent pro Kilogramm beträgt. Sie werde im ersten Jahr nach der Bundestagswahl umgesetzt, sagte Backhaus. Das Geld soll der Handel einnehmen und an die Bauern weitergeben. Hintergrund sind vor allem die gefallenen Schweinefleischpreise. Ein Grund ist die Afrikanische Schweinepest, die vor allem bei Wildschweinen in Brandenburg und Sachsen auftritt. Dadurch ist der Export in wichtige Absatzmärkte in Asien zusammengebrochen - für Schweinefleisch aus ganz Deutschland.

Backhaus forderte auch, Investitionen in Stallneubauten zu fördern. Mecklenburg-Vorpommern setze auf Außenklimaställe und viel Auslauf. Landesbauernpräsident Detlef Kurreck sagte, Tierhalter dächten im Moment kaum noch an Stallinvestitionen, da sie ihre Zukunft nicht gesichert sähen. Zudem gebe es viel zu lange Genehmigungsverfahren. Bei Rinder- und Geflügelhaltern sei die Situation mit modernen Ställen deutlich besser, sagte Backhaus.

Ein Sprecher des Schlachtkonzerns Tönnies erklärte, dass die Verarbeiter derzeit nur 70 Prozent der Schweine in Deutschland vermarkten könnten. Es fehle der Export. Zudem äßen die Deutschen bestimmte Produkte wie Eisbein oder Sülze kaum noch.

Grundsätzlich könne es in Deutschland große Verarbeiter wie Tönnies und regionale kleinere Verarbeiter geben. Die kleineren Firmen könnten aus Schlachttieren höherwertige Produkte gewinnen, aber nicht die Grundversorgung abdecken, argumentierte der Sprecher. Unabhängig von Trends wie veganer und vegetarischer Ernährung werde auch in 20 Jahren noch Fleisch gegessen werden. Für die Landwirtschaft sei der Zusammenhang von Pflanzenproduktion und Tierhaltung sehr wichtig.

Das eine sei ohne das andere nicht denkbar, betonte auch der Bauernpräsident. Den Marktfruchtbetrieben kommen laut Kurreck die höheren Weltmarktpreise bei Getreide und Raps zugute. Aber auch 60 Prozent der Produkte der Pflanzenanbauer gingen in die Tierhaltung, weshalb Wohl und Wehe der Tierhalter für sie wichtig seien.

Schweinehalter Michael Kühling aus Vorpommern, dessen Betrieb als besonders "klimafreundlich" ausgezeichnet wurde, sagte, dass Tierhalter derzeit 30 Euro pro Mastschwein und 40 Euro pro Ferkel an Verlusten haben.

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