Schwerin. Gemeinsam mit Schleswig-Holstein startet Mecklenburg-Vorpommern am Montag als erstes Bundesland in das neue Schuljahr. Präsenzunterricht soll “so weit es geht und wo immer es geht“ möglich sein. Das Coronavirus soll mit Masken- und Testpflicht ferngehalten werden.

Die Schulen in Mecklenburg-Vorpommern sollen in einer möglichen vierten Corona-Welle im Herbst und Winter nicht wieder nach ganzen Landkreisen geschlossen werden. "Flächendeckende, präventive Schulschließungen wollen wir vermeiden", sagte Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Schwerin.

Vielmehr sollen die Gesundheitsämter nach der jeweiligen Situation vor Ort entscheiden, wann und wie bei Ausbrüchen in Schulen reagiert wird. Es könne also durchaus sein, dass bei Corona-Infektionen einzelne Klassen oder Schulen vom Netz genommen werden, sagte Martin. Entsprechende Regelungen seien mit den Städten und Kreisen abgestimmt und würden in die neue Schul-Corona-Verordnung aufgenommen, die am Mittwoch vorliege. Am kommenden Montag starten Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein als erste Bundesländer ins neue Schuljahr.

Ungeachtet der derzeit geringen Infektionszahlen im Nordosten hält Martin an der Maskenpflicht an Schulen für die ersten beiden Wochen fest. "Wir müssen sicherstellen, dass die Infektionen mit der Delta-Variante nicht von den Reiserückkehrern in die Schulen getragen werden", sagte sie zur Begründung. Es gelte, "so weit es geht und wo immer es geht", den Präsenzunterricht zu ermöglichen. Dazu solle auch die Testpflicht für Schüler und Lehrer in den ersten beiden Wochen beitragen. Von den wöchentlich zwei Tests ausgenommen sind nachweislich Genesene und vollständig Geimpfte.

Wie es in der zweiten August-Hälfte weitergehe, hänge von der Infektionslage ab und werde anhand der in MV geltenden Corona-Ampel entschieden. Maskenpflicht im Unterricht soll demnach ab Stufe Orange gelten. Wann sie erreicht ist, hängt neben der Sieben-Tage-Inzidenz von mindestens 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern in einer Woche auch von der Zahl der Krankenhaus-Einweisungen und der Intensivpatienten ab. Die Testpflicht hingegen ist laut Martin nicht an die Corona-Ampel geknüpft.

Die Ministerin verwies kurz vor Beginn des neuen Schuljahres nochmals eindringlich auf die Bedeutung des Impfens. Eine hohe Impfrate schütze auch die Kinder, die bislang noch nicht geimpft werden könnten und sei ein entscheidender Schlüssel für einen möglichst durchgängigen Präsenzunterricht.

In Rundschreiben an Schulleitungen und Eltern hatte Martin dafür geworben, die Impfangebote zu nutzen. Nach ihren Angaben sind je nach Schule bislang zwischen 80 und 100 Prozent der Lehrkräfte gegen Corona geimpft. Für noch nicht geimpfte Pädagogen und über 16-jährige Schüler soll es von der zweiten Schulwoche an Impfaktionen an Schulen geben.

Die Lehrergewerkschaft GEW erneuerte zum bevorstehenden Schulstart ihre Forderung nach mehr Personal an den Schulen. Die Stundenzuweisungen, nach denen sich die Lehrerzahl bemisst, müssten um einen "Corona-Faktor" erhöht werden, verlangten die GEW-Landesvorsitzenden Annett Lindner und Maik Walm in einer gemeinsamen Erklärung. So solle gewährleistet werden, dass die Kinder von ihrem jeweiligen Stand aus im neuen Schuljahr erfolgreich weiterlernen können. Während der Schulschließungen war der Unterricht von Schule zu Schule sehr unterschiedlich organisiert worden.

Die Grünen erneuerten ihre Kritik an der Schulpolitik. "Zum Start des neuen Schuljahrs gibt es keinerlei Konzept, wie die Schulen mit den Lernlücken aus der Zeit der Schulschließung umgehen sollen. Wir brauchen dafür einen klaren Fahrplan", mahnte Anne Shepley, Spitzenkandidatin für die Landtagswahl. Mit dem Landeselternrat und dem Landesschülerrat bestehe Einigkeit, dass der fehlende Stoff nicht in kurzer Zeit zusätzlich "eingepaukt" werden könne. Deshalb müssten Lehrpläne überarbeitet und Prüfungsanforderungen angepasst werden.

Martin betonte, dass die Schulen digital aufgerüstet worden seien und damit weit besser auf Lernen unter Pandemiebedingungen vorbereitet seien als noch vor einem Jahr. "Wenn es einen guten Punkt an dieser Pandemie gab, dann ist es, dass die Digitalisierung in der Gesellschaft insgesamt und an den Schulen in Meilenschritten vorangegangen ist." Fast alle Schulen könnten mittlerweile auch Videokonferenzen für Schüler abhalten. Noch seien zwar nicht alle Schulen auf der angestrebten Stufe angelangt, doch werde weiter daran gearbeitet. Im Nachtragsetat stünden dafür 80 Millionen Euro zusätzlich bereit.

Kritik kam auch von Koalitionspartner CDU: Entgegen den Bekundungen des Ministeriums, dass in den Ferien alles unternommen werde, einen Regelbetrieb zu ermöglichen, könne Berichten aus den Schulen zufolge davon keine Rede sein. "Kaum praktikable bürokratische Anforderungen sowie weiterhin massiv fehlende Ausstattung mit Internet, Laptops und Tablets stehen diesem Ziel entgegen. Die Anstrengungen zur digitalen Ausstattung der Schulen sowie die Weiterbildung der Lehrkräfte müssen deutlich verbessert werden", sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Marc Reinhardt. Zudem sei das Förderprogramm für Luftfilter in Klassenräumen deutlich zu spät gekommen.

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