Gültz. Ist der Mai kühl und nass, füllt's dem Bauern Scheun und Fass, sagt ein Sprichwort. Das stimmte bis Mitte Juni im Nordosten. Dann kam eine Hitzewelle, das Wachstum stockte. Die Ernte wird durchschnittlich - aber die Weltmarktpreise sind sehr hoch.

Mecklenburg-Vorpommerns Bauern rechnen trotz des feuchten Frühjahrs nur mit einer durchschnittlichen Getreide- und Rapsernte, können aber mit hohen Preisen kalkulieren. "Im Schnitt wurden etwa 70 Dezitonnen Gerste pro Hektar geerntet", sagte der Präsident des Landesbauernverbandes Detlef Kurreck am Dienstag bei Gültz (Mecklenburgische Seenplatte) vor Journalisten. Es gebe aber große Unterschiede zwischen guten Böden im Westen und Norden und trockenen und sandigen Standorten im Süden und Osten des Landes. Den Pflanzen habe vor allem Trockenheit und starke Hitze im Juni zu schaffen gemacht. Das habe sich negativ auf die Korn-Qualität ausgewirkt. "Die Gerstenkörner sind zu leicht", sagte Landwirt Cord Müller-Scheeßel, der in Gültz einen Agrarbetrieb leitet.

Im Nordosten ist die Gerste abgedroschen, derzeit werden Raps und Weizen eingebracht. Laut Kurreck sind die Preise für Raps, Weizen und Gerste weltweit auf sehr hohem Niveau, weil in Kanada Brände viel Getreide vernichtet haben und China Getreide und Raps aufkauft. "Das kann etliches wettmachen", erklärte Kurreck, der in der Nähe von Rostock und der Ostsee einen Agrarbetrieb leitet.

Für einen kleinen Preisschub habe auch das Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen gesorgt. So fielen Erntemengen aus, die der Landhandel dringend von anderen Landwirten holen musste, um die bestellten Frachtschiffe auch füllen zu können.

Mit ähnlichen Ertrags- und Qualitätsunterschieden wegen der Regenmengen rechnet der Verband auch bei Raps, Weizen, Roggen und anderen Früchten. "Die Erträge schwanken aber auch in den Regionen sehr", erläuterte Frank Schiffner, der Pflanzenbaureferent des Verbandes. Anders als in früheren Jahren sorgten die wie im Juli mitunter starken, aber nur lokal auftretenden Regengüsse dafür, dass Böden sehr ungleich mit Wasser versorgt sind. Der tagelange Landregen, der früher für gleichmäßigere Regenmengen sorgte, fehle.

Unklar sei noch, wie sich die seit Ende 2020 geltende neue Düngemittelverordnung auf die Erträge auswirke. Seitdem dürfen Bauern in einigen Regionen nur noch 80 Prozent dessen an Stickstoff düngen, was sie vorher den Pflanzen gaben. "Wir haben Standorte, wo wir 78 Dezitonnen Gerste pro Hektar vom Feld geholt haben und andere sogenannte "Rote Gebiete", wo es nur 72 Dezitonnen pro Hektar waren", erklärte Kurreck. Ob dies an der geringeren Düngung oder an Wetter-Einflüssen lag, sei aber noch nicht klar. Es könne sei, dass sich der Stickstoffmangel zuerst bei der Qualität der Früchte bemerkbar macht.

Einige Bauern bauen den Angaben nach inzwischen deutlich mehr Früchte an als bisher. So seien in Müller-Scheeßels Betrieb um Gültz nun Erbsen, Ackerbohnen und Weiße Lupine dazugekommen.

Der Winterweizen ist mit rund 300 000 Hektar die wichtigste Frucht im Nordosten. Danach kommen Raps (174 000 Hektar), Gerste (134 000 Hektar) und Roggen mit 68 000 Hektar Anbaufläche. Mit 158 000 Hektar nimmt auch der Mais, der erst im Herbst gehäckselt wird, eine große Fläche ein. Die Agrar- und Ernährungswirtschaft gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige im Nordosten.

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