Schwerin. Über die Fertigstellung der zweiten Ostsee-Gaspipeline wurde lange gestritten. Nun verzichten die USA trotz bestehender Vorbehalte auf weitere Sanktionen gegen am Bau beteiligte Firmen. In der Politik Mecklenburg-Vorpommerns wird das vielfach begrüßt.

Die deutsch-amerikanische Übereinkunft zur Fertigstellung der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 hat in Mecklenburg-Vorpommern ein überwiegend positives Echo ausgelöst. Wie zuvor schon Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) begrüßte am Donnerstag auch ihr Vorgänger Erwin Sellering die Einigung in dem jahrelangen Streit. Zustimmung kam auch von der oppositionellen Linken und aus der Wirtschaft, die Grünen hingegen erneuerten ihre Kritik an dem Milliardenprojekt.

Sellering hatte sich während seiner Zeit als Regierungschef massiv für den Bau der zweiten Gas-Trasse durch die Ostsee eingesetzt und später die Gründung einer maßgeblich von Nord Stream finanzierten Umwelt-Stiftung mit vorangetrieben. Mit deren Hilfe sollten auch US-Sanktionen gegen den Pipeline-Bau umgangen werden.

Die Pipeline sei nun fast fertig. "Und was unsere Arbeit für den allgemeinen Klimaschutz angeht, hören jetzt ja vielleicht die sinnlosen Anfeindungen auf und wir können hier im Land konstruktiv zusammenarbeiten bei diesem wichtigen Thema", erklärte Sellering, der heute als Vorstandsvorsitzender der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV fungiert.

Wie Sellering sieht auch die Linken-Landtagsabgeordnete Mignon Schwenke "auf dem Weg über den Atom- und Kohleausstieg hin zu 100 Prozent erneuerbarer Energien" den Einsatz von Erdgas als Brückentechnologie. Die Einigung mit den USA, dass Nord Stream 2 nun ohne weitere Sanktionsdrohungen fertig gebaut werden kann, sei längst überfällig gewesen. Doch mahnte Schwenke zugleich mehr Tempo beim Klimaschutz im Land an. Bis spätestens 2040 solle Mecklenburg-Vorpommern klimaneutral sein.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller aus Stralsund bezeichnete die Einigung und damit den Weiterbau der Gaspipeline als schlechtes Zeichen für den Klimaschutz. "Mit Nordstream 2 wird so eine Infrastruktur für eine erhöhte Nutzung fossiler Energieträger geschaffen", beklagte sie. Zudem dürften die geostrategischen Auswirkungen nicht unterschätzt werden. "In Zeiten, in denen Putin die Ukraine rhetorisch und militärisch massiv unter Druck setzt und erneut die Souveränität des Landes in Frage stellt, senden Washington und Berlin mit dieser Vereinbarung die falschen Signale Richtung Moskau", sagte Müller.

Im jahrelangen Streit um die deutsch-russische Pipeline hatten die Regierungen Deutschlands und der USA am Mittwoch einen Durchbruch verkündet. Die USA hatten Nord Stream 2 massiv kritisiert und sind weiterhin gegen das Projekt, wollen nun aber auf weitere Sanktionen verzichten.

Die nahezu fertiggestellte Ostsee-Pipeline soll russisches Gas nach Deutschland bringen - unter Umgehung der Ukraine, die auf die Einnahmen aus dem Gas-Transit angewiesen ist. In einer gemeinsamen Erklärung sichern Deutschland und die USA der Ukraine Unterstützung zu. Russland wird davor gewarnt, Energie als politische "Waffe" einzusetzen oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine zu begehen.

Der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Krüger, würdigte die Übereinkunft zur Fertigstellung der Ostsee-Gaspipeline als Erfolg des Dialogs. "Die friedliche Erfolgsgeschichte der Europäischen Union hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, miteinander zu reden und zu verhandeln, statt Dinge eskalieren zu lassen. Kalter Krieg und Sanktionen schaden in der Regel nur den Beziehungen zwischen den Völkern", erklärte Krüger. Die Fertigstellung der Pipeline sei sowohl wirtschaftlich, versorgungstechnisch als auch politisch für alle Beteiligten von Vorteil.

Der Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft äußerte sich ebenfalls erfreut. "Wir hoffen, dass die nun erzielte deutsch-amerikanische Verständigung über Nord Stream 2 die jahrelangen Unsicherheiten für die beteiligten Unternehmen beseitigt und den Weg für dieses wichtige europäische Energieprojekt endlich freimacht. Wir halten Nord Stream 2 weiterhin für eine Schlüssel-Infrastruktur für die künftige deutsche und europäische Energieversorgung", erklärte der Ausschuss-Vorsitzende Oliver Hermes. Kurzfristig werde die Pipeline helfen, die rasch sinkende Erdgasproduktion in den Niederlanden und in Norwegen sowie einen steigenden Gasbedarf durch den Kohle- und Atom-Ausstieg auszugleichen.

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