Schwerin. Ein Ex-Manager der Awo Müritz hat die gemeinnützige Organisation als Selbstbedienungsladen benutzt, so das Landgericht Schwerin. Am Freitag verkündete es sein Urteil.

Im Prozess gegen zwei ehemalige Führungskräfte des Kreisverbandes Müritz der Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat das Landgericht Schwerin eine Haft- und eine Bewährungsstrafe verhängt. Die Richter verurteilten den langjährigen Geschäftsführer der Awo, Peter Olijnyk, am Freitag wegen schwerer Untreue zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren. Weiterhin werden 350.000 Euro seines Vermögens eingezogen.

Gegen den ehemaligen Kreisverbandsvorsitzenden Götz-Peter Lohmann verhängte das Gericht wegen Beihilfe eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Den beiden Angeklagten im Alter von 72 beziehungsweise 78 Jahren hatte die Anklage vorgeworfen, 2005 und 2012 ohne die Mitwirkung anderer Vorstandsmitglieder Olijnyks Einkommen unangemessen erhöht zu haben. Dadurch sei der Awo ein Schaden von rund einer Million Euro entstanden, urteilte das Gericht (Az 31 KLs 1/20).

Nach Feststellung des Gerichts initiierte Olijnyk 2005 für sich eine Gehaltsaufstockung von 84.000 auf 120.000 Euro im Jahr. Hinzu kamen jährliche Anteile am Geschäftsergebnis der Awo und ihrer Gesellschaften. 2012 habe die Awo ihm auf sein Betreiben hin eine zusätzliche Rentenzahlung von 2000 Euro im Monat ab Beginn seines Ruhestandes zugesichert. Die Awo zahlte dafür laut Gericht in eine Versicherung 375.000 Euro ein. An Olijnyk wurde das Geld nicht ausgezahlt. Beide Vertragsänderungen wurden 2005 und 2012 von Lohmann unterzeichnet.

Für beide Einkommensverbesserungen gab es keine Gründe, so das Gericht. Damit sei Vermögen der Awo veruntreut worden. Für das Urteil sei nicht wichtig, dass die Verträge nicht von weiteren Awo-Vorstandsmitgliedern unterschrieben wurden.

Olijnyk habe die Awo als "Selbstbedienungsladen" benutzt und sich einen "goldenen Handschlag" geben lassen, sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung. Der Hauptangeklagte habe sich bis zu seinem letzten Wort im Prozess uneinsichtig gezeigt. Sein Gehalt habe bereits vor der Erhöhung auf 120.000 Euro im Jahr über dem Durchschnitt gelegen. Olijnyk hatte für sich einen Freispruch beantragt, sein Verteidiger will prüfen, ob er Revision einlegt.

Lohmann habe Olijnyk "blind vertraut", so das Gericht, als erfahrener Ehrenamtlicher hätte er jedoch die Verträge prüfen müssen. Im Prozess habe er zu seinen Fehlern gestanden und "Gedankenlosigkeit" eingeräumt. Außerdem war er bereit, 50.000 Euro zu zahlen, damit ein weiterer Punkt der Anklage eingestellt wurde. Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete war seit 2005 bei der Awo als Psychotherapeut angestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, trotz eines Monatsgehalts von 5000 Euro nicht gearbeitet zu haben. Dies hatte Lohmann vehement bestritten. Er akzeptierte am Ende des Prozesses das Urteil gegen sich.

Kritisch äußerte sich der Vorsitzende Richter zu den Zeugenaussagen diverser Mitglieder der Awo-Gremien im Kreisverband Müritz. Sie hätten zu einem "erschütterndem Bild" des angeblichen "Nicht-Wissens" über die Umstände der Vertragsabschlüsse mit Olijnyk beigetragen.

Nachdem die Höhe des Gehalts bekannt wurde, war Olijnyk 2016 fristlos entlassen worden. Dagegen wehrte er sich erfolglos vor Gericht. Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock entschied 2019, dass er rund 390.000 Euro an die AWO zurückzahlen muss (Az 1U 36/16). Eine Verrechnung mit dem vom Strafgericht am Freitag angeordneten Einzug von 350.000 Euro ist möglich.

Unter anderem aufgrund des Falles "Awo Müritz" beantragte die AfD 2017 im Landtag die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Förderung und die Kontrolle der Wohlfahrtsverbände durchleuchten sollte.

© dpa-infocom, dpa:210610-99-942182/4