Peenemünde. Wenn NS-Testraketen von Usedom aus starteten, waren sie bemalt. Die neue Sonderausstellung des Historisch-Technischen Museums Peenemünde spürt den Hintergründen nach.

Frauen in verschiedenen Posen, ein herabwürdigend als Betrunkener dargestellter Winston Churchill und auch Glückskäfer: Den Bemalungen auf NS-Raketen, die im Zweiten Weltkrieg von der Heeresversuchsanstalt auf Usedom aus starteten, widmet das Historisch-Technische Museum Peenemünde(HTM) von diesem Donnerstag an eine Sonderausstellung.

Im Oktober 1942 war in der Heeresversuchsanstalt der weltweit erste Start einer Großrakete gelungen. Als V-Waffen (Vergeltungswaffen) sollten sie den Zweiten Weltkrieg zugunsten Deutschlands entscheiden, was nicht gelang. Sie richteten in Großbritannien starke Schäden an und töteten zahlreiche Menschen.

Die Ausstellung "Kunst und Waffen. Das militärische Ritual der Raketenverzierung" läuft bis zum 31. März 2022 und beruht auf Forschungen des Kanadiers Clarence Simonsen. Er suchte in Archiven nach historischen Fotos und malte alle überlieferten Motive nach, wobei er sie teilweise mit eigenen Interpretationen versah, wie das Museum am Mittwoch mitteilte. Entworfen wurden die Raketen-Verzierungen demnach vom Chefgrafiker der Heeresversuchsanstalt, Gerd de Beek.

"Seine Sammlung, die er dem HTM geschenkt hat, ist neben historischen Fotos von Gerd de Beeks Originalen der Kern dieser Ausstellung", erklärte Kurator Philipp Aumann. "Mit der Ausstellung dieser Bilder wird ein vielfach beachteter, aber noch nie ernsthaft erforschter kulturhistorischer Aspekt der Peenemünder Raketengeschichte erstmals fundiert vorgestellt."

Zu sehen sind den Angaben zufolge 51 Fotos mit den Motiven Gerd de Beeks und die entsprechenden Gemälde Simonsens. Daneben stellen weitere Fotos und Objekte die Arbeit de Beeks vor und ordnen die Malereien in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs und die heutige Erinnerungskultur ein, so das Museum. Auch einige Bruchstücke Peenemünder Raketen würden gezeigt, denen die Gemälde zuzuordnen seien.

Verzierungen von Waffen haben eine lange Tradition, bekannt sind sie etwa von Säbeln und Pistolen. Für das 20. Jahrhundert weist das HTM auf die "Tail Art" (Kunst auf dem Heck) hin, bei der Flugzeuge und anderes Kriegsgerät durch Bemalungen geschmückt und individualisiert wurden. Besonders in den angelsächsischen Ländern war es demnach seit dem Ersten Weltkrieg verbreitet, Kontrolltürme von U-Booten und Spitzen von Flugzeugen mit Motiven zu versehen. Dabei habe es sich oft um erotische Motive oder Glückssymbole gehandelt. Außerdem habe es viele Motive gegeben, mit denen die Besatzungen ihre Macht ausdrücken oder den Kriegsgegner verhöhnen wollten.

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