Neubrandenburg/Woldegk. Trickbetrüger werden immer gewiefter. Wie zwei neue Fälle zeigen, spielen die Banden den Opfern sogar kleine Hörspiele am Telefon vor, um sie zu schockieren und an Geld und Schmuck zu gelangen.
Unbekannte haben an der Mecklenburgischen Seenplatte zwei Seniorinnen um Bargeld und Schmuck im Wert von mehr als 55.000 Euro gebracht. Wie eine Polizeisprecherin am Mittwoch erklärte, ereigneten sich die Betrugsfälle am Dienstag in Woldegk und in der Nacht zu Montag in Neubrandenburg. "Es gibt eine ganze Welle solcher Anrufe, hier müssen mehrere Banden unterwegs sein", erläuterte die Sprecherin.
In Woldegk wurde eine 85-Jährige Opfer eines sogenannten Schockanrufs. Ein angeblicher Polizist hatte angerufen und erzählt, dass der Sohn einen Unfall mit einer getöteten Frau verursacht habe. Der Sohn sei festgenommen und müsse sofort ins Gefängnis, wenn keine Kaution gezahlt werde. "Dabei war im Hintergrund ein weinender und schreiender Mann zu hören, angeblich der Sohn", verdeutlichte die Polizeisprecherin. Diese Leute seien hochprofessionell.
Der falsche Beamte habe erst 56.000 Euro verlangt, was die Frau nicht aufbringen konnte. Da reagierte der ruhig agierende Anrufer und forderte - nach Rücksprache mit einem falschen Staatsanwalt - 18.000 Euro. Schon kurze Zeit später kam eine junge Frau, angeblich Polizistin, nahm das Geld entgegen und versicherte, dass der Sohn bald gebracht werde. Als dieser nach drei Stunden noch nicht kam, rief die 85-Jährige ihren echten Sohn an, der Betrug flog auf. Die Botin wurde als zierlich und schwarz gekleidet beschrieben.
In Neubrandenburg gaben sich die Anrufer als Mitarbeiter des Landeskriminalamtes aus. Sie hätten einen Teil einer Diebesbande gefasst, von denen andere noch angebliche Opferlisten "abarbeiten". Um Wertsachen und ihr Geld zu schützen, solle die Frau alles in eine Tasche packen und einem Beamten geben. Dieser werde es fotografieren, dokumentieren und es ihr kurz danach wieder zurückgeben. Damit niemand etwas mitbekomme, sei sogar ein Codewort vereinbart worden.
Die Betrüger hielten die 84-Jährige ab kurz vor Mitternacht rund vier Stunden am Telefon. Dann übergab sie einem Boten - angeblich ziviler LKA-Mitarbeiter mit dem Codewort - im Hausflur die Tasche. Als die Frau später nichts von den Männern hörte, rief sie die Telefonnummer zurück, diese war aber nicht vergeben. Sie hatte unter anderem vererbten Familienschmuck eingebüßt und erstattete Anzeige. Ihr Verlust wird auf etwa 40.000 Euro geschätzt.
Mit solchen und ähnlichen Betrugsmaschen haben Betrüger nach Polizeiangaben 2021 im Nordosten schon mehr als 1,7 Millionen Euro erbeutet, fast soviel wie im gesamten Jahr 2020. Laut Polizei stecken meist Banden aus dem Ausland dahinter, die vor allem aus der Türkei agieren und Boten in den Regionen haben.
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dpa