Schwerin. Die Verschärfung der Corona-Schutzmaßnahmen war umstritten, doch scheinen sie Wirkung zu zeigen. Zudem sorgt der Impffortschritt in Mecklenburg-Vorpommern für erste Lichtblicke. Die Regierungschefin warnt aber vor Überschwang - und wird durch neue Zahlen bestätigt.

Die über Tage gesunkene Zahl von Corona-Neuinfektionen in Mecklenburg-Vorpommern gibt nach den Worten von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) Grund zu verhaltenem Optimismus, darf aber nicht zu Leichtsinn verleiten. "Die harten Maßnahmen wirken. Wir konnten das exponentielle Wachstum brechen. Aber wir haben noch keine Entwarnung", sagte Schwesig am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Schwerin. Die Sieben-Tage-Inzidenz sei von 150 zwischenzeitlich auf 135 gefallen. Doch halte die Regierung an den strengen Corona-Schutzmaßnahmen fest.

"Wir müssen weiter durchhalten, um die Infektionslage stärker in den Griff zu bekommen", betonte Schwesig. Die am Abend vom Landesamt für Gesundheit und Soziales vermeldeten neuen Zahlen können als Beleg für die weiterhin gebotene Vorsicht gelten. Demnach wurden am Dienstag 585 Corona-Neuinfektionen gemeldet, 91 mehr als vor einer Woche. Die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg wieder: um 3,4 auf 138,7 Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche. Hauptursache dafür war ein Corona-Ausbruch in einem Unternehmen in Lübtheen (Landkreis Ludwigslust-Parchim).

Nach den Worten Schwesigs muss damit gerechnet werden, dass die Zahl der schwer Erkrankten zunächst noch steige. Aktuell seien 91 der 120 für Corona-Patienten bereitgestellten Intensivbetten belegt. Doch bilde auch das Fachpersonal einen limitierenden Faktor. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht an die Grenzen unseres Gesundheitssystems kommen", warnte Schwesig. Bei 85 Prozent Auslastung der Intensivbetten sei der "dunkelrote Bereich" erreicht. Aktuell liegt sie bei 76 Prozent.

Die Regierungschefin kündigte für Freitag eine weitere Sondersitzung ihres Kabinetts an, um die Corona-Landesverordnung an die jüngsten Entwicklungen anzupassen. Dann gehe es auch um Erleichterungen für Menschen mit vollständigem Impfschutz. "In allen Regelungen der Landesverordnung, wo eine Testpflicht für die Wahrnehmung von Angeboten oder die Nutzung von Einrichtungen vorgesehen ist, soll diese für vollständig Geimpfte entfallen", erklärte Schwesig. Damit würde ab Anfang Mai etwa die Testpflicht für Geimpfte vor Friseurbesuchen wegfallen. Die zweite Impfung müsse aber mindestens 14 Tage zurückliegen. Mecklenburg-Vorpommern nutze dabei eine Übergangsregelung, die es den Bundesländern erlaube, bis zum Inkrafttreten einer übergreifenden Bundesregelung Erleichterungen für Geimpfte zu schaffen.

Schwesig betonte erneut die Notwendigkeit umfangreicher Corona-Tests. Diese seien insbesondere auch für Kleinkinder mit Symptomen wichtig, bevor sie in die Notbetreuung der Kitas aufgenommen werden könnten. Unterstützung erhielt sie dabei von Professor Nils-Olaf Hübner, Leitender Hygieniker der Universitätsmedizin Greifswald. Das im Land praktizierte Testsystem habe sich bewährt. Durch die verstärkten Kontrollen seien zuletzt pro Woche etwa 60 infektiöse Kinder ermittelt und so Ansteckungsgefahren in Kitas und Schulen vermindert worden. Es lohne sich, gezielt und engmaschig zu testen. "Das gilt nicht nur für Kinder, es gilt ebenso für Erwachsene", sagte Hübner.

Das wirksamste Mittel im Kampf gegen das Corona-Virus sei aber das Impfen, betonte Schwesig. Dadurch habe sich die Zahl der Todesfälle um ein Drittel senken lassen, sagte sie unter Hinweis auf die Einschätzung von Fachleuten. Das Land habe erfreulicherweise beim Impftempo wieder zugelegt und werde weiterhin alles tun, um möglichst vielen Menschen den Impfschutz zu gewähren. Dabei würden auch die Hausärzte noch stärker einbezogen.

Die Hausärzte in Mecklenburg-Vorpommern sind nach den Worten ihres Verbandsvorsitzenden Stefan Zutz bereit und in der Lage, mit den zusätzlichen Impfstoffen das Impftempo im Land weiter zu erhöhen. "Wir erwarten nun die zwei- bis dreifache Menge an Impfdosen für die Praxen. Das zu verimpfen, ist ein Kraftakt. Aber damit können wir als Hausärzte endlich einen entscheidenden Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie leisten."

Wichtig sei, dass die angekündigten Lieferungen auch pünktlich und kontinuierlich in den Praxen ankommen, unterstrich Zutz. Der Großteil der rund 1000 Hausärzte im Land habe Impfstoffe bestellt und beteilige sich an der Impfkampagne. "Für uns ist das eine Herzensangelegenheit." Unmittelbar nach Ostern waren Hausärzte flächendeckend in die Corona-Impfkampagne einbezogen worden, hatten aber über unzureichenden Impfstoffnachschub geklagt.

Nach Angaben von Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) steigen die wöchentlichen Lieferungen an die Haus- und Fachärzte im Nordosten von derzeit 31 000 Impfdosen bis Ende Mai zunächst auf knapp 70 000. Für Praxen und Impfzentren zusammen erwarte das Land im Mai insgesamt etwa 310 000 Dosen, für Juni dann weitere 582 000.

Das Land hatte beim Impfen in den vergangenen Tagen unter anderem durch freie Impftage ohne Termin im Ländervergleich aufgeholt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Dienstag sind im Nordosten 24,8 Prozent der Bevölkerung erstgeimpft. Knapp 7 Prozent verfügen nach der Zweitimpfung bereits über den vollen Impfschutz.

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