Rostock. Bei der Verabschiedung floss an Bord der “Sea-Eye 4“ und auch am Kai unter den rund 30 Helfern die ein oder andere Träne. Am Ende der Reise im Mittelmeer steht die Rettung von Flüchtlingen in Seenot.

Mit der Stammbesatzung von 26 Crewmitgliedern an Bord hat das Seenotrettungsschiff "Sea-Eye 4" am Samstag den Fischereihafen Rostock in Richtung Mittelmeer verlassen. Wie Gordon Isler von der Regensburger Hilfsorganisation Sea-Eye sagte, bietet das 55 Meter lange Schiff viel Platz für die Erstversorgung geretteter Menschen.

Das 1972 gebaute, ehemalige Offshore-Versorgungsschiff war in den vergangenen Monaten in der polnischen Hafenstadt Swinemünde (Świnoujście) und in Rostock auf den Einsatz vorbereitet worden. Am Umbau hätten sich mehrere Hundert freiwillige Helfer beteiligt.

Die "Sea-Eya 4" hat zwei Kräne, die die zwei Einsatzboote sicher und schnell zu Wasser lassen können. Die Krankenstation verfüge über einen modernen Standard und sei auch auf potenzielle Corona-Fälle vorbereitet. Die Kosten für Kauf und Umbau des Schiffes betragen den Angaben zufolge insgesamt rund 1,15 Millionen Euro.

Das Geld stammt maßgeblich von dem Bündnis United4Rescue, das von der Evangelischen Kirche initiiert wurde. Nach Angaben von Vorstandsmitglied Michael Schwickart gehören dem Bündnis rund 740 Partner aus der Zivilgesellschaft an.

Die Überfahrt ins Mittelmeer werde von mehreren katholischen Bistümern finanziert. Mit an Bord ist auch der emeritierte Bischof Michael Wüstenberg aus Hildesheim. Der 66-Jährige will während der Schiffsreise mit der Besatzung sprechen und seine Eindrücke von der Überfahrt in täglichen Nachrichten verarbeiten, wie die Pressestelle des Bistums Hildesheim mitteilte.

Jedes Jahr wagen Tausende Migranten die lebensgefährliche Überfahrt von Tunesien und Libyen aus nach Europa. 2019 starben dabei nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 1200 Menschen. Derzeit fahren mehrere private Organisationen immer wieder ins zentrale Mittelmeer hinaus, um den Migranten zur Hilfe zu kommen. Die Aktionen sind politisch umstritten.

Der Aufbruch der "Sea-Eye 4" sei ein wichtiges Signal eines breiten zivilgesellschaftlichen Bündnisses an die EU-Mitgliedstaaten. "Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen, um die Zahl der Asylanträge in Europa zu reduzieren und andere von der Flucht abzuschrecken, ist menschenverachtend", sagte Isler.

Nach Ansicht des Kapitäns der "Sea-Eye 4", Christoph Kües, verschließen die Industrieländer bewusst die Augen vor dem Leid auf der Erde. "Die westliche Welt lebt mit ihrem Reichtum wie in einer Blase", sagte Kues der Deutschen Presse-Agentur. In großen Teilen der Welt gehe es eher um das tägliche Überleben als um die Versorgung beispielsweise mit Luxusgütern. Die westlichen Länder ließen auch jede Bereitschaft vermissen, aus dieser Blase auszubrechen.

Der Verein Sea-Eye wurde 2015 in Regensburg gegründet und rettet seitdem Menschen im zentralen Mittelmeer aus Seenot. In den ersten Vereinsjahren betrieb der Verein die umgerüsteten Fischkutter "Sea-Eye" und "Seefuchs" und brachte 2018 die "Alan Kurdi" in den Einsatz. Insgesamt beteiligten sich mehr als 1000 ehrenamtliche Crewmitglieder an der Rettung von rund 15 000 Menschen.

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