Rostock. Eltern geben ihr Kind zur Aufsicht in fremde Hände und dann verletzt es sich schwer. Schadenersatz und Schmerzensgeld können dann keinen Ausgleich darstellen.

Wer aus Gefälligkeit die Aufsicht über ein fremdes Kind übernimmt, kann bei Verletzung der Aufsichtspflicht und der Schädigung des Kindes zur Verantwortung gezogen werden. In einer vorläufigen Rechtsauffassung bestätigte das Oberlandesgericht Rostock am Freitag ein Urteil des Landgerichts der Hansestadt, das einen Vater, den Vermieter eines Grundstücks und einen Veranstalter zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz in Höhe von rund 470 000 Euro verurteilt hatte. Gegen dieses Urteil hatten die drei Parteien Rechtsmittel eingelegt. (Az.: 10 O 10/15)

Der Vorsitzende Richter bezeichnete den Unfall als schicksalhaft. Im Juni 2012 hatte ein Vater den knapp sechsjährigen Spielkameraden seiner Tochter zu einer Wochenendveranstaltung eines Jugendhilfevereins im Landkreis Rostock mitgenommen. Dort fiel der Junge in einen nicht gesicherten Teich auf dem Grundstück und geriet unter Wasser. Als er gefunden wurde, konnten trotz sofortiger Rettungsmaßnahmen schwere Hirnschäden nicht verhindert werden. Der Junge wird nach Angaben des Gerichts sein Leben lang pflegebedürftig sein. Das OLG will seine Entscheidung am 18. Dezember verkünden.

Ausführlich schilderte der Vorsitzende Richter die Umstände des Unfalls. Bei der Veranstaltung habe es sich um eine Zirkusconvention für Kinder und Jugendliche gehandelt. Es sei bekannt gewesen, dass der Junge lebhaft und Nichtschwimmer gewesen sei. Allen Beteiligten sei auch bewusst gewesen, dass der Teich frei und ohne weitere Sicherung zugänglich war. Die Aufforderung, dass der Junge und sein Freund während der Abwesenheit des Vaters auf dem Dachboden bleiben sollten, reiche nicht aus. Schon am Vorabend sei der Junge am Teich unterwegs gewesen.

Der betreuende Vater hatte laut Gericht dagegen geltend gemacht, dass ein Gefälligkeitsdienst die permanente Überwachung nicht beinhalte. In seiner vorläufigen Rechtsauffassung sagte der Richter, dass dies bei der gegebenen besonderen Gefahrenlage so nicht gelte. Auch der Zirkusveranstalter und der Vermieter der Grundstücks müssten ihren Teil der Verantwortung tragen, sie könnten diese nicht nur beim betreuenden Vater sehen. Es hätte ihnen klar sein müssen, welche Gefahr von dem Teich auf dem Grundstück ausgehen könnte.

Das Landgericht Rostock hatte 2018 geurteilt, dass der Anspruch der Mutter zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz zu 50 Prozent als sogenannte Gesamtschuldner bei dem Jugendhilfeverein, beim Grundstückbesitzer und bei dem Vater liege. Die andere Hälfte liege allein bei dem Vater.