Schwerin. Bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager in Deutschland ist vieles noch Theorie. 54 Prozent der Bundesfläche gelten geologisch als geeignet. Mecklenburg-Vorpommern kommt auf einen ähnlichen Wert.

Aus rein geologischer Sicht ist etwa die Hälfte der Landesfläche Mecklenburg-Vorpommerns zumindest theoretisch für ein Atommüll-Endlager geeignet. Das berichtete Agrarminister Till Backhaus (SPD) am Montag in Schwerin, nachdem die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) einen Zwischenbericht veröffentlicht hatte. Laut Bericht erfüllen sechs Teilgebiete in MV die Voraussetzungen für ein Endlager für hoch radioaktiven Müll.

Diese Gebiete erstrecken sich zumindest in Teilen über alle sechs Landkreise und die beiden kreisfreien Städte Schwerin und Rostock. Ein Teilgebiet kann sich dabei auch über mehrere Bundesländer ausbreiten. In MV ist demnach eine Fläche von rund 12 000 Quadratkilometern geeignet.

Faktoren wie etwa die Bevölkerungsdichte wurden in der ersten Phase der Endlagersuche noch nicht beachtet - das erfolgt in weiteren Schritten. Dies würde die Wahrscheinlichkeit für ein Endlager in größeren Ballungsräumen - wie in der Landeshauptstadt Schwerin oder der bevölkerungsreichsten Stadt Rostock - senken.

Gesucht wird der bundesweit beste Ort, um hochradioaktiven Atommüll eine Million Jahre lang möglichst sicher zu lagern. Das Endlager soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. Eine Vorfestlegung auf einen Standort in Deutschland ist damit noch längst nicht verbunden. 2031 soll der Standort gefunden sein, ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden. Entscheiden muss am Ende der Bundestag.

Spätestens Ende 2022 geht in Deutschland der letzte Atomreaktor vom Netz. Was übrig bleibt, sind unter anderem hochgefährliche Abfälle, die noch viele tausend Jahre strahlen - und zwar etwa 1900 Behälter oder 27 000 Kubikmeter.

In MV gibt es in den Teilgebieten laut Zwischenbericht Salz- und Tongestein. Backhaus zufolge befinden sich die geologisch geeigneten Flächen eher im mecklenburgischen Teil des Bundeslandes. Standorte sind laut BGE ungeeignet, wenn es dort etwa Bergwerke, Erdbeben-Risiken, vulkanische Aktivitäten und junges Grundwasser gibt.

Laut Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat jeder Standort Nachteile. "So wird es auch mit den Teilgebieten in Mecklenburg-Vorpommern vor unserer Haustür sein. Tongestein lässt kaum Wasser durch, leitet allerdings schlecht die entstehende Wärme ab. Salz umschließt einerseits die Abfälle gut, andererseits ist es wasserlöslich und kann aggressive radioaktive Laugen bilden", sagte die BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag. Granitstein sei sehr stabil und wärmeunempfindlich. Allerdings könne Wasser eindringen.

In Deutschland erstrecken sich die 90 Teilgebiete auf alle Bundesländer mit Ausnahme des Saarlands. Sie liegen vor allem in Bayern, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Auch in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin sind Teilgebiete ausgewiesen.

Aus dem Rennen ist hingegen der Salzstock Gorleben in Niedersachsen. Gorleben war zu einem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden. Nach langem Ärger um Gorleben war die Endlager-Suche komplett neu gestartet worden, das Gesetz dazu gibt es seit 2013. Der Salzstock ist aufgrund von geologischen Mängeln aus dem Suchverfahren ausgeschlossen. Allerdings gehört Gorleben zu einem großen Tongestein-Gebiet, das generell geeignet erscheint für ein Endlager.

Nach der Vorlage des Zwischenberichts ging der politische Streit los. Kritik kam vor allem aus Bayern. Von Bayern gebe es im Verfahren jetzt "keine Totalblockade", der Freistaat werde das Verfahren aber "sehr konstruktiv und kritisch begleiten", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er kritisierte ausdrücklich, dass der Salzstock Gorleben aus dem Verfahren herausgenommen wurde.

Backhaus kritisierte wiederum die Äußerungen aus Bayern. "Damit kommen die keinen Millimeter weiter. Erst das dicke Geld verdienen und dann plötzlich keine Verantwortung übernehmen. Das funktioniert nicht", sagte der Minister.