Sassnitz. Der Gift-Anschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny hat die Debatte um die Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2 neu belebt. Kritiker verlangen einen Bau-Stopp, den auch die USA fordern. Doch die Schweriner Regierungschefin Schwesig steht weiter zu dem Projekt.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat die Bundesregierung aufgefordert, sich zur Fertigstellung der Ostsee-Erdgasleitung Nord Stream 2 zu bekennen und US-amerikanische Sanktionsdrohungen zurückzuweisen. Unabhängig von der Debatte um die Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny müsse die grundsätzliche Frage beantwortet werden, "ob Deutschland zulassen kann, dass die USA aus wirtschaftlichem Interesse Unternehmen und Arbeitsplätze in Deutschland bedrohen." Das sagte Schwesig am Freitag nach einem Besuch des Hafens in Mukran auf Rügen, der wichtiger Umschlagplatz für den Pipeline-Bau zwischen Russland und Deutschland ist und der sich auch direkten Sanktionsdrohungen ausgesetzt sieht.

Die Antwort könne nur lauten, dass das nicht in Ordnung ist. Ein Wirtschaftskrieg dürfe nicht zugelassen werden, mahnte Schwesig. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bislang ein Ende des Pipeline-Baus, der bereits zu 95 Prozent abgeschlossen ist, als Reaktion auf die Vergiftung Nawalnys offen gelassen. Sie habe sich noch kein abschließendes Urteil gebildet, hatte Merkel am Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin gesagt.

Schwesig erneuerte ihre Forderung, den Fall Nawalny nicht gegen Nord Stream 2 auszuspielen. Der Giftanschlag müsse durch die russische Justiz konsequent aufgeklärt werden, doch gelte es auch, die Fertigstellung der Pipeline voranzutreiben. Sie rate davon ab, Sanktionen gegen Russland auszusprechen. "Diejenigen, die von Anfang an gegen diese Ostsee-Pipeline waren, nutzen jetzt dieses Verbrechen, um die Pipeline in Frage zu stellen", richtete Schwesig indirekt Kritik an die Adresse einzelner CDU- und Grünen-Politiker.

Die Ostsee-Pipeline sei nicht nur im russischen Interesse. "Die Ostsee-Pipeline ist vor allem im Interesse von Deutschland und von Westeuropa. Denn wir wollen die Energiewende schaffen", sagte Schwesig. Deutschland benötige das russische Erdgas, um die Energieversorgung auch nach Atom- und Kohleausstieg sicherzustellen.

Nach den Worten Schwesigs geht es den USA nur darum, ihr Fracking-Gas zu exportieren. Das sei aber für Deutschland und Europa die ökonomisch und ökologisch schlechtere Alternative.

Massive Sanktionsdrohungen der USA gegen Projektbeteiligte hatten Ende 2019 den Pipelinebau kurz vor dem Abschluss zum Erliegen gebracht. Nun sollen russische Verlegeschiffe, die derzeit noch in Häfen Mecklenburg-Vorpommern liegen, die Arbeiten wieder aufnehmen.

Für diesen Fall hatten drei US-Senatoren der Geschäftsführung und den Gesellschaftern - darunter auch das Land Mecklenburg-Vorpommern - des Hafens in Sassnitz-Mukran mit schwerwiegenden Sanktionen gedroht. Schwesig hatte die Drohungen in einem Brief "aufs Schärfste" zurückgewiesen und am Freitag den Hafenmitarbeitern bei einer Belegschaftsversammlung ihre Unterstützung zugesichert.

Für die Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee fehlen nur noch 150 Kilometer des insgesamt 2360 Kilometer langen Doppelstrangs. Dafür lagern in Mukran noch mehrere tausend Rohre. Die Anlandestation in Lubmin bei Greifswald, wo schon seit 2011 russisches Gas durch Nord Stream 1 ankommt, ist weitgehend fertiggestellt. Durch jeden der beiden Doppelstränge können jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas geliefert werden