Schwerin/Rostock. Zur Vermeidung von Corona-Infektionen schränkt Mecklenburg-Vorpommern auch den bezahlten Körperkontakt zu Prostituierten ein. Das aber treibt diese nach Ansicht von Hilfsorganisationen in die Illegalität und führt zu gesundheitsgefährdenden Bedingungen in der Sexarbeit.

Das ausdrückliche Verbot von Prostitution durch die geänderte Corona-Verordnung in Mecklenburg-Vorpommern sorgt für Kritik. "Für die Sexarbeiterinnen ist das ein Schlag ins Gesicht", sagte Sandra Kamitz von der Rostocker Beratungsstelle für Menschen in der Sexarbeit, SeLA, am Montag. Vor allem für Frauen aus dem europäischen Ausland, die in der Krise nun nicht auf staatliche Grundsicherung zurückgreifen könnten, verschärfe sich damit die finanzielle Notlage weiter. "Sie sind gezwungen, sich irgendwie Geld zu beschaffen", erklärte Kamitz. Hilfen aus einem Spendenfonds von jeweils 500 bis 1200 Euro hätten nur die größte Not lindern können.

Das 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz sei besonders zum Schutz der mehrheitlich weiblichen Prostituierten beschlossen worden. Ausbleibende Einnahmen und drohende Wohnungslosigkeit führten nun aber zwangsweise zu gesundheitsgefährdenden Bedingungen in der Sexarbeit. "Während körpernahe Dienstleistungen wie Massage, Friseure, Pediküre unter Auflagen seit Mai bereits wieder erlaubt sind, blieb für Sexarbeiterinnen die Arbeit in den dafür vorgesehenen Betriebsstätten verboten", beklagte Kamitz in einer Mitteilung. Nach ihren Angaben haben im Land etwa 300 Prostituierte ihre Tätigkeit angemeldet. Doch sei von einer weit höheren Zahl auszugehen.

Kamitz sieht in der seit Freitag gültigen neuen Regelung eine direkte Reaktion der Landesregierung auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Schwerin. Nach dessen Auffassung durften nach der alten Verordnung Prostituierte auch in Corona-Zeiten ihrer Tätigkeit nachgehen, wenn sie ihre Kunden zuhause aufsuchen oder in Hotels treffen.

Mit dem Beschluss vom 26. Juni gaben die Richter dem Eilantrag einer Prostituierten statt, die die seit März 2020 wegen der Pandemie ruhende "Erbringung entgeltlicher sexueller Dienstleistungen" als Solo-Escort-Dame wieder aufnehmen wollte. Anstatt in einer "festen Prostitutionsstätte", wie etwa einem Bordell, sollten die Leistungen "unter Beachtung der geltenden Abstands- und Hygieneregelungen" in Hotels oder den Wohnungen der Kunden erbracht werden, hieß es in der Mitteilung des Gerichts. Das zuständige Gesundheitsministerium hatte allerdings Beschwerde gegen das Urteil eingelegt.

In der früheren Corona-Landesverordnung hieß es: "Diskotheken, Clubs, Messen, Ausstellungen, Indoor-Spielplätze und Indoor-Freizeitaktivitäten, Prostitutionsgewerbe, Bordelle und ähnliche Einrichtungen sowie Spezialmärkte sind für den Publikumsverkehr geschlossen." In der neuen Verordnung wird nun klargestellt: "Prostitution ist untersagt. Das Prostitutionsgewerbe ist für den Publikumsverkehr geschlossen."

Das Verwaltungsgericht Schwerin gab inzwischen auch dem Eilantrag einer Hauseigentümerin statt, die Widerspruch gegen die behördliche Anweisung eingelegt hatte. Demnach war sie aufgefordert worden, das Prostitutionsgewerbe in ihrem Haus solange zu unterlassen, bis das coronabedingte Verbot aufgehoben werde. Da die Frau selbst aber Vermieterin sei und die Mieter die Wohnungen untervermieten würden, sei die Frau die falsche Adressatin für das behördliche Begehr. Es sei zweifelhaft, ob neben den Hauptmietern auch der Antragstellerin in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin und Vermieterin der Wohnungen das Betreiben des Prostitutionsgewerbes/Bordells untersagt werden könne, hieß es.