Rostock. Wochenlang müssen Familien wegen der Kontaktbeschränkungen auf engstem Raum leben. Das führt in manchen Familien zu Gewalt. Die Hilfsorganisationen bieten auch über die Feiertage ihre Hilfe an.

Die wegen der Corona-Pandemie verhängten Kontaktbeschränkungen führen aus Expertensicht fast zwangsläufig zu einem hohen Konfliktpotenzial in Familien. Aufgrund der Erfahrungen aus anderen Ländern etwa in Asien oder auch Italien sei auch in Deutschland mit einem Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt zu rechnen, sagte Ulrike Bartel vom Rostocker Verein "Frauen helfen Frauen" mit Blick auf die kommenden Osterfeiertage. In manchen Familien sei Gewalt das Ventil, den Stresspegel abzubauen. Es gelte nun, den Betroffenen zu signalisieren, "Ihr seid nicht alleine", sagte Bartel. Sie verwies auf die bundesweiten Hilfenummern von Gewalt gegen Frauen "08000 116110" oder für Kinder "116 111".

Auch die Betreuerin der Rostocker Opferambulanz, Verena Kolbe, betonte, dass die Ambulanz über die Feiertage zu erreichen ist (Rufbereitschaft: 0172 9506148). Sie sieht gerade Kinder einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt, da Kontrollinstanzen wie Kindergärten oder Schulen wegfallen, die Verdachtsfälle an Jugendämter melden. "Jetzt kommt es wirklich auf aufmerksame Nachbarn an." Sie fürchtete, dass gefährdete Kinder jetzt verstärkt durchs Raster fallen. Auch die Opferambulanz Greifswald hat eine Rufbereitschaft geschaltet. (0172 3182602)

Dass bei den Polizeibehörden aktuell keine Steigerung der Fallzahlen von häuslicher Gewalt registriert wird, führte Kolbe unter anderem darauf zurück, dass wegen der Kontaktbeschränkungen die Täter seltener das Haus verlassen. So hätten die Opfer Schwierigkeiten, sich Hilfe zu organisieren. Dies sei schon vermehrt in Frankreich beobachtet worden, auch dort werde von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.

Wie Bartel weiter berichtete, haben die Frauenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern aktuell eine Kapazität von 60 Plätzen. "Die sind schon im normalen Zeiten oft ausgelastet." Auch in diesen "normalen Zeiten" müsste Mecklenburg-Vorpommern offiziellen Empfehlungen folgend 160 Plätze haben. Die zu erwartende Steigerung der Fallzahlen im Zusammenhang mit der Kontaktbeschränkung würde die Situation erheblich erschweren.