Schwerin. Die Corona-Pandemie hat neben den gesundheitlichen Folgen auch massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wie der Bund will auch das Land Mecklenburg-Vorpommern gegensteuern. Für den “MV-Schutzfonds“ nahm das Land nun Abschied von einem finanzpolitischen Grundsatz.

Wegen der Corona-Krise setzt Mecklenburg-Vorpommern die Schuldenbremse außer Kraft und macht erstmals seit 15 Jahren wieder Schulden. In einem einmaligen Tempo beschloss der Landtag am Mittwoch in Schwerin einen Nachtragsetat, mit dessen Hilfe sich das Land gegen die Folgen der Pandemie stemmen will. Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde der bislang 9,4 Milliarden Euro umfassende Rekord-Etat für 2020 noch einmal um 700 Millionen Euro aufgestockt. Zwischen erster Lesung des Gesetzentwurfs und Beschlussfassung lag nur wenig mehr als eine Stunde.

Nach den Worten von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) kann das Land damit einen "MV-Schutzfonds" bilden, der sich auf insgesamt 1,1 Milliarden Euro beläuft und neben Soforthilfen auch Darlehen und Kredit-Bürgschaften beinhaltet. Der Bürgschaftsrahmen wurde von 1,2 auf 1,6 Milliarden Euro ausgedehnt. Die für 2020 im Umfang von einer Milliarde Euro erwarteten Verluste an Steuereinnahmen sollen aus den für konjunkturelle Talfahrten gebildeten Rücklagen ausgeglichen, die für das Jahr geplanten hohen Investitionen nicht gekürzt werden.

Die nun zusätzlich bereitstehenden Mittel sollen laut Schwesig der Wirtschaft helfen, Einnahmeausfälle zu kompensieren und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Das Tourismusverbot, die Schließung von Geschäften und vielfach veranlasste Produktionseinschränkungen sorgten bereits für massive finanzielle Ausfälle. Erste Hilfszahlungen sind erfolgt. Zudem erhalten Gesundheitseinrichtungen Unterstützung, um die nötigen Behandlungskapazitäten aufzubauen.

"Das Coronavirus bedroht unsere Gesundheit, die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes und auch Teile des sozialen Zusammenhaltes", begründete Schwesig das Milliardenpaket. Das Virus sei ein "unsichtbarer Feind", dem nur mit entschiedenen Maßnahmen begegnet werden könne. Schwesig appellierte an alle Bürger, die Kontaktbeschränkungen weiterhin diszipliniert zu befolgen. Sie rechtfertigte zudem die Kontrollen zur Durchsetzung des Tourismusverbots, das ein Urlaubsland wie Mecklenburg-Vorpommern natürlich besonders schmerze, aber notwendig sei.

Nur wenn Kontakte auf ein Minimum reduziert würden, könne Zeit gewonnen werden, das Gesundheitssystem weiter für die Bekämpfung der Pandemie zu rüsten. "Die Lage ist ernst, sie ist sehr ernst", betonte Schwesig. Debatten über mögliche Lockerungen der Kontaktsperren wies sie erneut entschieden zurück. Wer dies tue, verkenne die Situation und streue den Menschen Sand in die Augen.

Doch zeigte sie sich zuversichtlich, dass Deutschland die Krise überwinden könne. Aus eigener Erfahrung wisse sie, dass, "wenn sich eine Lage bedrohlich anfühlt und sie auch bedrohlich ist, wir auf das Gesundheitssystem im Land vertrauen können", sagte Schwesig. Vor einem halben Jahr hatte sie eine Krebserkrankung öffentlich gemacht und eine Therapie begonnen, die nach ihren Angaben kurz vor dem Abschluss steht. Es sei wichtig, durchzuhalten und zusammenzuhalten.

Unterstützung für ihr Krisenmanagement erhielt die SPD/CDU-Regierung auch von der Opposition im Landtag. Bei der Aufstellung des Landesprogramms zur Bekämpfung der Corona-Pandemie habe auch seine Fraktion Gelegenheit bekommen, Vorschläge einzubringen und dies auch genutzt. "Ausdrücklich begrüßen wir dieses Vorgehen", sagte AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer und verwies auf die Ausweitung der Finanzhilfen auch auf größere Unternehmen im Land, die auch die AfD befürwortet habe. Doch erneuerte er die Forderung nach Auflösung des umstrittenen Strategiefonds der Landesregierung insbesondere für lokale Kleinprojekte. Dieses Geld sei im Kampf gegen die Epidemie besser eingesetzt, zeigte sich Kramer überzeugt.

Auch die Chefin der Linksfraktion, Simone Oldenburg, bezeichnete die Schaffung des umfänglichen Rettungsschirms als das "einzig Richtige". Betriebe und Arbeitnehmer benötigten Gewissheit, "dass sie ohne massive Abstürze durch die Krise kommen", erklärte Oldenburg. Nun komme es darauf an, dass die Gelder rasch fließen. Ihre Fraktion sei zudem froh, dass mit der gemeinsamen Entschließung des Parlaments ein Sozialfonds in Höhe von 20 Millionen Euro eingerichtet werde. "Damit sollen all jene unterstützt werden, die in der Krise auch in schwieriges Fahrwasser geraten, aber keinen Unterschlupf unter dem Schirm finden", erklärte Oldenburg. Als Beispiele nannte sie Schullandheime, Bildungsträger, Kleiderkammern oder Tafeln.

CDU-Fraktionschef Torsten Renz rief dazu auf, wichtige Konsequenzen aus der aktuellen Krise zu ziehen. So müssten Güter wie Arzneimittel, Schutzausrüstungen oder medizinische Gerätschaften auch wieder in Deutschland in nennenswerter Größenordnung produziert werden, im Zweifel auch subventioniert. "Ich kann es nicht akzeptieren, dass wir in Deutschland die besten Autos der Welt herstellen, es aber nicht kurzfristig hinbekommen, medizinisch benötigte Schutzmasken zu fertigen", betonte Renz unter Hinweis auf den Mangel in Arztpraxen und in Kliniken. Dafür müssten auch Reserven zentral eingelagert werden.

Wegen der Corona-Krise und dem deshalb geltenden Versammlungsverbot war die April-Sitzung des Parlaments auf nur einen Tag beschränkt worden. Um den Hygienevorschriften und Abstandsregeln nachzukommen, blieb knapp die Hälfte der Abgeordneten der Sitzung fern. Auch zwischen den Ministern herrschten größere Abstände. Zu Beginn der Sitzung gedachte das Parlament des kürzlich gestorbenen früheren Ministerpräsidenten Alfred Gomolka (CDU).