Schwerin. Nach der Rücktrittsankündigung von Parteichef Vincent Kokert muss sich die CDU in Mecklenburg-Vorpommerns einen neuen Vorsitzenden suchen. Für den Übergang wird wohl Ex-Parteichef Rehberg übernehmen. Unterdessen reaktiviert Vorsitz-Kandidat Amthor eine alte Debatte.

Im Schatten der Führungsdebatte in der Bundes-CDU gewinnt auch die Entscheidung über die künftige Parteispitze in Mecklenburg-Vorpommern langsam Konturen. Der frühere CDU-Landeschef Eckhardt Rehberg ist nach eigenen Worten bereit, die CDU im Nordosten vorübergehend bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden zu führen. Unterdessen zieht der Ueckermünder Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der sich um den Chefposten beworben hat, mit einem Vorstoß zur Belebung der Debatte um eine deutsche "Leitkultur" erneut Aufmerksamkeit auf sich.

Laut Rehberg legt die Parteisatzung nicht fest, welcher der drei Stellvertreter die Aufgaben des Vorsitzenden bei einem vorzeitigen Ausscheiden übernimmt. "Ich habe bei der Vorstandswahl im November mit 94 Prozent das deutlich beste Wahlergebnis erzielt. Und das hat Vincent Kokert wohl bewogen zu sagen, ich solle die Parteiführung nun kommissarisch übernehmen", sagte Rehberg der Deutschen Presse-Agentur. An diesem Samstag komme der Landesvorstand in Güstrow zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten und auch einen der Parteivize mit der Leitungsfunktion zu betrauen.

Landesparteichef Kokert, der als Hoffnungsträger der Nordost-CDU galt, hatte Ende Januar seinen Rückzug von allen politischen Ämtern angekündigt und damit selbst die eigene Partei überrascht. "Auch ich war geplättet. Denn mir war klar, welch eine Lücke er hinterlässt. Alles in der Partei war auf ihn zu- und ausgerichtet. Er war gut in der Mitte verankert, verkörperte sozial, liberal und konservativ und konnte so auch unterschiedliche Strömungen in der Partei gut einbinden", sagte Rehberg.

Die CDU Mecklenburg-Vorpommern muss nun nicht nur die Spitze neu besetzen, sondern auch die Strategie für die Landtagswahl 2021 überdenken. Bislang war geplant, dass Kokert als Herausforderer von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die CDU in den Wahlkampf führt. Daraus wird nichts, weil der 41-Jährige seine politische Karriere nach eigenen Worten zugunsten der Familie beendet. Bereits Anfang März werde er bei den Stadtwerken Neustrelitz eine Tätigkeit als Betriebsleiter aufnehmen.

Um die Nachfolge an der Parteispitze bewerben sich bislang Amthor und Justizministerin Katy Hoffmeister aus Rostock. Beide kündigten ihre Kandidaturen für den Sonderparteitag an, der vermutlich noch vor der Sommerpause stattfinden wird.

"Wir haben jetzt zwei Kandidaten. Das finde ich gut", sagte Rehberg. Der 65-Jährige war von 2001 bis 2005 selbst Vorsitzender des rund 5000 Mitglieder zählenden Landesverbands und ist seit fast 15 Jahren Mitglied des Deutschen Bundestags. In den kommenden Monaten solle beiden Bewerbern Gelegenheit gegeben werden, sich der Basis vorzustellen.

Hoffmeister machte bereits deutlich, dass sie bei ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden die Nordost-Union bei der Landtagswahl im kommenden Jahr auch als Spitzenkandidatin anführen wolle: "Für mich steht fest, dass Landesvorsitz und Spitzenkandidatur zusammengehören", betonte die 46-jährige Juristin. Der 27-jährige Amthor, der seit zweieinhalb Jahren im Bundestag sitzt und seither großes mediales Interesse auf sich zieht, ließ offen, ob er weiter in der Bundespolitik bleiben, oder zur Landestagswahl antreten will.

Amthor warnte davor, dass es auch in Mecklenburg-Vorpommern nach der Landtagswahl zu Thüringer Verhältnissen kommen könnte. "Ein Erstarken von AfD und Linkspartei befördert natürlich die Gefahr einer Nichtregierbarkeit, aber das müssen wir auf jeden Fall verhindern", sagte er den Partner-Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Montag). Zudem plädierte er für eine scharfe Abgrenzung seiner Partei nach Rechts und Links.

Zudem will Amthor die 20 Jahre alte Debatte um eine deutsche "Leitkultur" neu beleben. Die Diskussion über "unsere "Hausordnung"" verdiene ebenso viel politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit wie die Frage der Migration, schrieb der 27-Jährige in einem Beitrag für den am Montag erschienenen Sammelband "Eine Politik für Morgen. Die junge Generation fordert ihr politisches Recht." (Herder Verlag). Das Grundgesetz allein reiche dafür nicht aus.

Integration ist aus seiner Sicht die "Eingliederung" in eine "von unserer Leitkultur geprägte Gesellschaft". Denn es habe sich gezeigt, dass das von Politikern aus dem linken Spektrum jahrelang propagierte "Multikulti"-Konzept eben kein "buntes Straßenfest" sei, sondern "Parallelgesellschaften", kriminelle Familienclans und andere "dunkle Nebenstraßen" befördert habe.

Den Begriff der "Leitkultur" hat der Politologe Bassam Tibi geprägt. Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hatte im Jahr 2000 gefordert, Zuwanderer müssten sich an die deutsche Leitkultur anpassen, die Sprache erlernen, die Verfassungstradition und die gleichberechtigte Stellung der Frau in der Gesellschaft akzeptieren. Damit hatte er damals eine große Kontroverse ausgelöst.