Rostock. Ohne Handy geht so gut wie nichts mehr. Selbst Autofahren nicht. Doch da hat der Gesetzgeber einen Riegel vorgeschoben. Aber der Alltag zeigt, dass die Sanktionen nicht die erwünschte Wirkung haben.

Erwischt! Leicht bedröppelt lässt eine junge Autofahrerin in der Rostocker Innenstadt ihre Scheibe herunter. Mit dem Handy am Ohr ertappt, bedeutet zunächst eine Belehrung durch den Polizisten und auf Nachfrage die Ankündigung, dass ein Bußgeldbescheid über 100 Euro ins Haus flattern wird. Zusätzlich bekommt sie einen Punkt beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg.

So wie ihr geht es am Dienstag mindestens 40 weiteren Autofahrern in Mecklenburg-Vorpommern. Denn die Polizei hat landesweit Schwerpunktkontrollen zum Thema "Ablenkung im Straßenverkehr" eingerichtet, die den ganzen Monat dauern werden. Sie sind Teil der Kampagne "Fahren.Ankommen.LEBEN!", mit der die Autofahrer zu einem regelkonformen Fahrverhalten angehalten werden sollen.

Hintergrund dieser Kontrollen, bei der noch Dutzende Temposünder in die Falle tappen, ist der Anstieg der Unfallzahlen im Jahr 2019. Nach vorläufigen Erhebungen nahm die Zahl der Getöteten um mehr als drei Prozent zu, die der Schwerverletzten um knapp zwei Prozent. Erst im Dezember gab es bei Greifwald einen Unfall mit drei Toten. Ein junger Greifswalder war mit seinem Auto auf die Gegenfahrbahn geraten und mit einem anderen Wagen zusammengestoßen. Laut Staatsanwaltschaft bestand der Verdacht, dass der Verursacher telefoniert hat.

"Viele meinen, sie machen schon keinen Fehler, wenn sie während der Fahrt telefonieren", sagt Rostocks Polizeichef Achim Segebarth. Aber die Reaktionszeiten seien deutlich verlangsamt. Das komme dann zum Tragen, wenn andere im Verkehr einen Fehler machen oder ein Kind plötzlich auf die Straße läuft. Segebarths Appell, das Telefonieren beim Fahren einfach sein zu lassen, richtet sich auch an Radfahrer. "Mit einer Hand am Lenker lässt sich nicht vernünftig bremsen und lenken, wenn es schnell gehen muss."

"Der Bewusstseinswandel funktioniert leider am ehesten über den Geldbeutel", erklärt Segebarth. Bei der Überwachung sei eine zivile Verkehrsstreife am effektivsten. "Man sieht allerhand und kann entsprechend aktiv werden."

Für den Unfallforscher Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft liegt der Schwerpunkt des Problems nicht mehr beim Telefonieren, sondern beim Lesen und Schreiben von Textnachrichten. Dabei kritisiert er heftig die Neufassung des sogenannten Handyparagrafen in der Straßenverkehrsordnung, in der die Bedienung des Handys für eine kurze Zeit erlaubt ist. "Das greift immer mehr um sich und ist extrem schwer zu kontrollieren, wenn das Handy auf dem Schoß oder der Mittelkonsole liegt."

Vor allem junge Leute seien kaum fähig, längere Zeit ohne Smartphone zu sein oder nicht zu reagieren, wenn eine Nachricht kommt. "Das trägt Züge von Sucht", sagt Brockmann. Letztlich blieben nur harte technische Schnitte wie die Unterbindung des Empfangs in einem Auto, um dieses Phänomen einzudämmen. Eine Umsetzung sei aber nicht realistisch. Vermutlich sei die soziale Kontrolle das einzige, was greifen könnte. "Aber da dieses Verhalten gesellschaftlich akzeptiert ist, haben wir noch einen langen Weg bis dahin."

"90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen", schätzt der Präsident der Landesverkehrswacht, Hand-Joachim Hacker. Für ihn verstoßen Autofahrer mit Handy am Ohr nicht nur gegen Vorschriften, sondern auch gegen den gesunden Menschenverstand. "Wir müssen uns den menschlichen Risikofaktoren zuwenden." Das gehe mit maßvollen Strafen und viel Aufklärung.