Dreitägiges Spring - und Dressurturnier auf der Anlage in Ehestorf kommt bei Zuschauern und Aktiven an. Doppelsieg für Delia Benecke

Harburg. Wer die paar Stufen der Holztreppe hinauf zum Richterturm klettert, fühlt sich wie auf einem Logenplatz in einem riesigen Freiluft-Theater. Links steigen Wiesen und Felder an, von unten rückt der Wald näher. Und mitten drin die lang gezogenen Ställe für die Pferde, die Reithalle und etwas erhöht, auf einem Plateau, der Springparcours des Harburger Reitvereins. Sie haben ihn herausgeputzt und mit Blumen geschmückt. Davor Stühle und Tische für die Besucher gestellt, die sich auch an den Trink- und Essständen drängeln. Ein sommerliches Bild mit der regen Betriebsamkeit des Spring- und Dressurturniers.

Der 1925 gegründete Harburger Reitverein zeigt wieder Flagge. "Im Vorjahr haben wir es schon gewagt, wieder zu einem, wenn auch noch bescheidenem, Turnier einzuladen", sagt Andrea Sjursen-Stein. Als sich die Richterin vor drei Jahren an die Spitze des Traditionsvereins wählen ließ, war der HRV zahlungsunfähig. Ein Schuldenberg von mehr als 100 000 Euro drohte, die Reitergemeinschaft zu erdrücken. "Mit diesem Turnier melden wir uns endgültig zurück", sagt sie.

Über die Lautsprecher werden gerade Delia Benecke vom Reit- und Fahrsport Sieversen und ihr mächtiger Campus in den Parcours gerufen. Das erste M-Springen mit Stechen bleibt den Damen im Sattel vorbehalten. "Wir wollten sie einmal von ihrer männlichen Konkurrenz befreien", sagt Birthe Peters, die zweite Frau an der Vereinsspitze, "die vielen jungen Mädchen und Frauen sind zumeist Freizeitreiter, wenn auch leidenschaftlich und engagiert. Bei den Männer dominieren in den M-Prüfungen schon die Berufsreiter. Und die schnappen sich meist die Siege und Platzierungen."

Applaus und Zurufe unterbrechen das Gespräch. "Null Fehler für Delia Benecke auf Campus", ist aus den Lautsprechern zu hören. Da lächelt die 20-Jährige und tätschelt ihrem langjährigen Sportgefährten den Hals. Dass dies beim Neubeginn für den Harburger Reitverein ihr großer Tag wird, daran glaubt die junge Reiterin zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Dabei sind Delia und ihre jüngere Schwester Luisa im heimatlichen Turniersport längst bekannt, auch als die sportlichen Töchter von Tierarzt Willi Benecke. Der hat auf dem Bauernhof in Elstorf nicht nur seine Praxis, er züchtet dort auch selbst die vierbeinigen Partner für seine sportlichen Töchter. "Campus ist jetzt zwölf Jahre alt", sagt Delia Benecke, die eine Ausbildung beim Vater macht, danach studieren und später die Praxis des Vaters übernehmen will. Er gehört zu den lieben Pferden. Von Couleur Brillant, ihrem zweiten Turnierpferd, kann sie das nicht gerade behaupten. Couleur Brillant, natürlich auch vom Vater gezüchtet, ist acht Jahre alt und hat seinen eigenen Kopf. "Er guckt viel und lässt sich häufiger ablenken, wenn ihm etwas auffällt in der Umgebung. Aber er ist ja noch jung."

Auf der Anlage im Rosengarten aber gelang der 20-Jährigen, die seit ihrem dritten Lebensjahr im Sattel sitzt, mit ihrem temperamentvollen Fuchs ein Ritt ohne Fehl und Tadel. Mit beiden Pferden im Stechen gelang der totale Triumph. Den Sieg holte sich Delia Benecke mit ihrem braven Routinier Campus, den zweiten Platz mit ihrem eigenwilligen Couleur Brillant.

"Inzwischen können wir wieder frei agieren", sagt die Vereinsvorsitzende. Der Schuldenberg hatte sich zu einem großen Teil auch durch Turniere angehäuft, zu denen die Vorgänger eingeladen hatten. In der Not fand sich zum einen ein stiller Sponsor. Zudem haben die neuen Frauen an der Vereinsspitze einen "ganz strengen Finanzplan durchgedrückt", wie Andrea Sjursen-Stein betont. Es gab da aber noch einen mehr zufälligen Glücksumstand, der den 86 Jahre alten Reitverein rettete. Der Ehemann der Richterin ist Fachmann für Steuerrecht. Auf dessen Rat hin hat der Verein seinen gesamten Servicebereich in den "Förderverein Reiten in Rosengarten" ausgegliedert. "Der Verein vermietet nur noch 58 Pferdeboxen", so Andrea Sjursen-Stein, "der Vorteil, wir müssen keine Mehrwertsteuer bezahlen und sparen ordentlich."

Der Harburger Reitverein kann an seine Turniertradition anknüpfen. Als die drei Tage mit dem M-Springen der Männer ausklangen, bekamen die Vereinschefin und ihr einsatzfreudiger Organisations-Stab immer wieder zu hören: "Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr." Sieger im M-Springen mit Stechen wurde Frank Johannsen auf Fighting Gala vom RFV Estetal vor Frank Martin vom RV Weser mit Levion und Claus-Heinrich Bohlmann mit Genesis aus Helmstorf. Die M-Dressur gewann in der ersten Abteilung Anett Weiland (Sieversen) mit Sissi H und in der zweiten Abteilung Raika-Marie Rosch mit Herzog.