In Harsefeld ist der Kunstlauf-Nachwuchs schon am Sonntag früh um sieben Uhr auf den Beinen

Harsefeld. Als die kleinen Sportler an diesem Morgen ihre Mütter wecken, steht noch eine dünne Mondsichel über Harsefeld. Es ist dunkel und kalt, als gegen 6 Uhr die Lichter in 15 Wohnungen angehen und die erste Hektik beginnt. Eine Stunde später, kurz vor 7 Uhr, ist die Eishalle in Harsefeld hell erleuchtet. Aber es ist noch still, besonders gesprächig sind die Kinde noch nicht. "Bewegt euch", kommt klar und deutlich die Anweisung von Josephine Melcher. "Jeder versucht einmal, seine Kür durchzulaufen." In der Stimme der 24-Jährigen liegt schon Frische und Munterkeit. Mit Sprüngen und Pirouetten sonntags früh um 7 Uhr auf dem Eis ist die langjährige Spitzenläuferin und jetzige Trainerin des TuS Harsefeld selbst groß geworden. "Ich weiß ja, dass ich mir die Mamas damit nicht gerade zu Freundinnen mache", sagt Josephine Melcher und lacht. "Aber das sind die einzigen zwei Stunden in der Woche, in denen uns die gesamte Eisfläche hier zur Verfügung steht. Und die brauchen die Kinder doch, damit sie ihre Kür komplett durchlaufen können."

Es sind 14 Mädchen und ein blonder Junge, die diesmal die "Hallo-Aufwachen-Herausforderung" bestanden haben. "Aber nein, bei jedem Sonntagtraining sind wir nicht da", gesteht die Mutter der kleinen Leni von Hein und schüttelt sich vor Kälte. "Manchmal sagt Leni abends noch, 'aber weck mich morgen früh`, aber wenn ich gegen 6 Uhr komme, ist sie doch noch zu müde zum Aufstehen." Auch Julien Wagner, der 13-Jährige aus Neu Wulmstorf besteht darauf: "Ich brauche meinen Schlaf. Deshalb bin ich nicht so oft beim Sonntagstraining dabei." Es wird ja auch vorher gefragt. Nach jedem Eiskunstlaufen mittwochs fragt Cheftrainerin Nina Zöllner: "Wer will am Sonntag früh aus den Federn?" Und wenn nach der zweiten Trainingseinheit am Freitag noch drei oder mehr der Fleißigen und ehrgeizigen bereit sind, dann sagt Melcher der Putzfrau Bescheid, sie möge am Sonntag um 7 Uhr die Eishalle öffnen und vor allem auch die Heizung in einer der Umkleidekabinen aufdrehen.

Drei der Eislaufmütter haben sich in die kuschelige Wärme zurückgezogen. Die anderen stehen frierend draußen und schauen zu. Die Trainerin, ganz in schwarz gekleidet, hält die fünfjährige Leni von Hein an der Hand. Die Kleine mit dem Stirnband schaut zu ihr hoch, konzentriert sich. "Jetzt", kommt das Kommando. Leni versucht an der Hand von Josephine Melcher einen Dreher auf dem Eis. "Du musst zuerst den rechten Fuß mit der Spitze aufs Eis stellen. Genau so. Das war doch schon schön". Leni lächelt.

Die zweite kleine Leni auf dem Eis, Walter mit Nachnamen, und ebenfalls fünf Jahre alt, gleitet mit ausgebreiteten Armen über das Eis. Konzentriert und vorsichtig blickt sie auf ihre Füße. Dann, ein erster kleiner Hopser. Sie ist nicht hingefallen. "Toll", hört sie die Stimme der Trainerin. Das Gesicht des kleinen Mädchens, ihr glückliches Lächeln - ein schöner Anblick an diesem kalten Morgen. "Und jetzt", tönt die Stimme der jungen Übungsleiterin und zukünftigen Lehrerin übers Eis, "zieht ihr mal bitte die Trainings-Jacken aus." Ein bewährter Trick, um die Schar der Mädchen, die in einem Wirrwarr über das Eis gleiten, schneller in Bewegung zu bringen. Julien Wagner, der einzige Junge unter den kleineren und größeren Eisprinzessinnen, nimmt Fahrt auf, läuft vorwärts, dreht und hebt ab. Immer und immer wieder trainiert er den Flip. "Im Fernsehen habe ich den Film Die Eisprinzen gesehen und sofort beschlossen, Eiskunstläufer zu werden", erzählt der 13-Jährige. "Seit gut zwei Jahren bin ich dabei. Auf dem Eis, das ist für mich das schönste. Im Sommer aber mache ich, wie fast alle in Harsefeld, Rollkunstlaufen."

Selbstbewusst bekennt sich der Junge, der in Neu Wulmstorf das Gymnasium besucht, dazu, einmal ganz hoch hinaus zu wollen. "Zu Weltmeisterschaften und Olympischen Spiele oder so." Insgesamt ist die Sparte der Eis- und Rollkunstläufer in Harsefeld auf 40 Kinder angewachsen. Allein die interne Konkurrenz motiviert.

Am Sonnabend, um 8.30 Uhr mit dem freien Training, werden die internen Vereinsmeisterschaften als Einladungswettbewerb ausgetragen. Als Gäste machen Eiskunstläuferinnen aus Wolfsburg mit. Am 12. März steigen in Wedemark bei Hannover die Landesmeisterschaften. Zu den acht Teilnehmern aus Harsefeld gehört auch Julien Wagner, der den Titel praktisch schon in der Tasche hat. "Denn leider, leider habe ich keine Konkurrenz in meiner Klasse", sagt der Blondschopf, der ja ganz hoch hinaus will auf dem Eis.