Acht-Meter-Springer aus Buxtehude nähert sich der EM-Norm gleich beim ersten Wettkampf bis auf acht Zentimeter

Buxtehude. "Nein, nicht jetzt. Nicht während des Wettkampfes." Die Zurückweisung von Nils Winter kommt energisch und schroff. Natürlich weiß man als Sportreporter, dass man einen Athleten nicht während einer Meisterschaft in seiner Konzentration stören soll. Aber der Weitsprung-Routinier vom Buxtehuder SV wirkte in der Hamburger Leichtathletik-Arena so gelöst und freundlich. Wie er mit seinem Konkurrenten Sebastian Bayer lachte und scherzte, während der seinen Arm um Winters Schulter legte. "In Wahrheit war ich so nervös und aufgeregt wie ein 20-Jähriger", bekennt der Spitzenathlet, der mit 33 Jahren noch einmal London und die Olympischen Spiele 2012 ins Auge gefasst hat. "Wenn das nicht so wäre, wenn das Adrenalin mich nicht mehr aufputschen würden, wäre für mich Schluss mit dem Leistungssport."

Nils Winter, geduscht und umgezogen, kommt einem freundlich und in bester Stimmung entgegen. Bei den gemeinsamen Leichtathletik-Meisterschaften von Hamburg und Schleswig-Holstein war der Männer-Weitsprung der absolute Höhepunkt. Denn es waren Sebastian Bayer, vor zwei Jahren bei der Hallen-Europameisterschaft in Turin als neuer Wunderspringer gefeiert, und Winter, die internationales Flair in die Hamburger Leichtathletik-Provinz brachten. Man hätte ihre Sprünge als Neuauflage dieser EM 2009 verkaufen können. Dort hatte Nils Winter mit 8,22 Meter den weitesten Satz seines Lebens gemacht und als Vizeeuropameister die wertvollste Auszeichnung erreicht. In Turin aber war dieser Sebastian Bayer im letzten Versuch mit 8,71 Metern in die Weltklasse katapultiert und hatte sich den EM-Titel geschnappt.

Beim Wettkampf in Hamburg setzte der HSV-Leichathletik-Star Bayer mit 7,91 Meter im ersten Versuch den Maßstab. Nils Winter steigerte sich im fünften Versuch auf 7,82 Meter, wurde wieder Zweiter. Die vom DLV geforderte Norm für die Hallen-EM 2011 in Paris verpasste er nur um acht Zentimeter. "Mit dieser Weite bin ich hoch zufrieden", fasst der Buxtehuder seinen Start in die Hallensaison zusammen. "Mir ist im ganzen letzten Jahr kein so hervorragender Sprung geglückt. Und doch", fügt er selbstkritisch hinzu, "es wäre heute noch mehr möglich gewesen."

Es muss im August 1987 gewesen sein, als der kleine Nils in Buxtehude zum ersten Mal Anlauf für seine Weitsprung-Karriere nahm. "Für meine 3,74 Meter habe ich damals eine Urkunde bekommen", erzählt der Spitzenathlet. "Die muss noch Zuhause bei meinen Eltern sein. Aber damals bei unserem Trainer Reinhard Naugk war ich von vier Jungen eher der Schwächste", blickt Nils Winter auf die Anfänge zurück. "Ich war schon 17 Jahre alt, als ich die erste Landesmeisterschaft in einem Einzelwettbewerb gewann."

Das war nicht der Weit-, sondern der Hochsprung. Nils Winter sprang über zwei Meter. Als Zehnkämpfer wechselte er vor fast zehn Jahren nach Leverkusen. Das Studium als Wirtschaftsingenieur hat er während seiner Sportkarriere abgeschlossen. Die Rückkehr nach Hamburg und zum Buxtehuder SV ist für den 33-Jährigen auch der berufliche Einstieg ins Familienunternehmen. Vater und Bruder, Cousine und Onkel führen am Fischmarkt eine Reederei. "Dort bin ich seit einem Jahr sozusagen der Lehrling", erzählt das Kraftpaket mit leisem Lächeln, "noch habe ich alle Freiheit für meinen Sport."

Seinen Dienst für den Spitzensport tritt Nils Winter in der Regel jeden Morgen um 10 Uhr in der 2006 eingeweihten Hamburger Leichtathletikhalle an, gegen 14 Uhr ist er dann in der Firma. "Gerade im Weitsprung hat sich inzwischen in Hamburg eine Spitzengruppe zusammen gefunden", erzählt er. "Bundestrainer Uwe Florczak ist hier und aus Halle ist mit Mario Kral gerade ein neues Talent hinzu gekommen." Die Kollegen stehen alle beim Hamburger SV unter Vertrag. "Nur mich wollten die nicht haben", sagt der Reederssohn. Also geht er seinen eigenen Weg. Was ihn über all die Jahre an der Leichtathletik und speziell am Weitsprung fasziniert und immer wieder aufs Neue motiviert? "Du kannst 1000 Sprünge machen, immer wieder am Anlauf, am Absprung und an der Landung arbeiten. Und dann, vielleicht nur alle paar Jahre, passt alles zusammen: Der ideale Sprung. Dieser Moment, dieses Hochgefühl, das ist kaum zu beschreiben."