Ingrid Klimke erwirbt bei Top-Eventers-Auktion in Luhmühlen eine neue Stute. Insgesamt werden 451 000 Euro für 19 Nachwuchspferde ausgegeben

Luhmühlen. Es ist ein Moment, in dem nicht einer der Zuschauer zu husten wagt. Und es ist keiner, der diese Augenblicke der Stille dramatischer zu inszenieren weiß, als Friedrich Wilhelm Isernhagen, der Mann mit dem Hämmerchen. Da steht er an seinem Pult in der Ecke der festlich dekorierten Reithalle in Luhmühlen, der eigentliche Star der "Top-Eventer-Horse-Auction 2010" und haucht ins Mikrofon: "100 000 Euro sind geboten." Dann ist es wieder still. Nur ein kräftiges Schnaufen kommt aus dem Zentrum der Halle. Rubinja, die glänzend schwarze Stute, galoppiert an den Zuschauerrängen vorbei. Dort sitzt in der ersten Reihe ein Mann in hellblauer Windjacke. In seine Richtung hat der Auktionator den linken Arm ausgestreckt. Die Rechte hat er mit dem Hammer erhoben. "Hunderttausend zum Zweiten! Der Herr vorne in der ersten Reihe, wer bietet mehr?" Die Stammgäste dieser von Elmar Lesch und Iris Schless organisierten internationalen Auktion für hoffnungsvolle Vielseitigkeitspferde wissen: Das wäre ein neuer Rekord.

Friedrich Wilhelm Isernhagen schaut kurz zu Elmar Lesch, der neben ihm sitzt und sein Handy ans Ohr presst. "105 000 Euro, am Telefon geboten", sagt er. Das neue Höchstgebot wird mit Beifall begrüßt. Rubinja, die wunderschöne Stute, zeigt sich unbeeindruckt von alledem. "Ich überlasse Ihnen das letzte Wort", wendet sich der Auktionator direkt an dem Mann in der ersten Reihe. Aber der Unbekannte lässt die Hände mit der Bieterkarte im Schoß. Nur Eingeweihte der Vielseitigkeits-Szene wissen, dass in diesem Augenblick in Luhmühlen vielleicht eine Vorentscheidung über Gold bei Olympia oder bei einer Weltmeisterschaft fällt. In der Zukunft natürlich. Denn der Mann in der ersten Reihe will die sechsjährige Stute nach Schweden für Spitzenreiter Magnus Gellerdal holen. Elmar Lesch aber hat am anderen Ende seiner Funkverbindung eine deutsche Olympiasiegerin. "105 000 Euro", zerreist jetzt die Stimme von Friedrich Wilhelm Isernhagen die angespannte Stille. "Zum Zweiten und zum Dritte." Dann lässt er leise den Hammer fallen. Applaus brandet auf.

Es ist Olympiasiegerin Ingrid Klimke, die am nächsten Tag Freunde und Anhänger des Vielseitigkeitssports auf ihrer Homepage wissen lässt: "Seit gestern habe ich ein tolles neues Pferd im Stall." Gemeinsam mit Madeleine Winter-Schulze, der wohl wichtigsten Mäzenin im deutschen Reitsport, hat sie die Stute erworben. Dabei gehörte Rubinja TE den Ausrichtern der Auktion. "Wir haben die Stute vor zwei Jahren gekauft", erzählt ein zufriedener Elmar Lesch. Er hat das talentierte und springbegabte Pferd weit nach vorne gebracht, wurde beim Bundeschampionat Zweiter mit Rubinja.

Der Vielseitigkeitsreiter Kay-Steffen Meyer stellte in Luhmühlen mit dem schwarzbraunen Afrikaner selbst den Wallach vor, den er ausgebildet hat. Dabei fiel auf, dass er, als von der Sitzreihe ein Gebot von 13 000 Euro signalisiert wurde, nahe an dem Bieter vorbei ritt. Dann steuerte er das Pferd auf den Auktionator zu und machte mit der Handfläche einen Schnitt. "Der Reiter selbst bietet 13 500", verkündete Friedrich Wilhelm Isernhagen. Bei 15 000 Euro war für Kay Steffen Meyer das Limit für sein Gebot überschritten. "Ich hatte mich heute Morgen erst entschieden, aus dem Sattel mit zu bieten", erzählte er, "wir hätten zusammen gepasst, aber es war doch zu viel Geld." Für 17 000 Euro ist Afrikaner nach Belgien verkauft worden.

Genau 16 000 Euro ließ es sich Victoria Schulte-Westhof kosten, damit sie ihrer Tochter eine Überraschung bereiten konnte. Sie und Christoph Schütt, die in Schneverdingen Vielseitigkeitspferde züchten, ersteigerten in Luhmühlen die Trakehner-Stute Asante Sana. Hinterher aus der Boxengasse rief die Mama Tochter Alexa Schulte-Westhof in Warendorf an. "Wir haben ein Pferd für dich gekauft", sagte sie. Erst verblüfftes Schweigen, dann Freude. Alexa Schulte-Westhof reitet für Luhmühlen und macht in Warendorf gerade ihre Reiterausbildung.

Bei der Pferdeauktion in Luhmühlen werden vor allem die Schecks für sportliche Karrieren und zukünftige Erfolge ausgestellt. Insgesamt waren für die 19 Nachwuchspferde 451 000 Euro ausgegeben worden. Das ist zwar kein Rekord für Top-Eventers, aber im Schnitt brachte jedes der vorher sorgfältig ausgewählten vierbeinigen Hoffnungen 23 738 Euro. Und das ist ein neuer Rekord in Luhmühlen.