Der Rollstuhl-Basketball-Verein Lüneburg zählt mit nur zwölf aktiven Mitgliedern zu den kleinsten im Landkreis. Die Spieler sind ambitioniert.

Lüneburg. Blitzschnell dreht sich Andreas Riebau mit seinem tief liegenden Rollstuhl. Mit der einen Hand tippt er kurz den Ball auf, mit der anderen dreht er einmal kräftig am Rad und leitet den Lüneburger Angriff ein. Ein Heber nach rechts zu Tanja Schleicher, die zu den nicht behinderten Mitspielern zählt, sie passt in die Mitte zu Christopf Boock, der den Ball in den Korb zirkelt. Die Zuschauer am Spielfeldrand klatschen. "Du triffst ja heute alles", ruft Nicoll Sieber, die heute nur als Zuschauerin dabei ist.

Rollstuhlbasketball in der Turnhalle an der Neuhauser Straße. In der Oberliga hat das Team des RBV Lüneburg Spitzenreiter TSV Nusse zum letzten Punktspiel zu Gast. Draußen, im Eingangsflur, haben drei Frauen einen Tisch quergestellt, bieten Kaffee, Kuchen sowie Nudelsalat mit Würstchen an. Wer dafür etwas spendet, unterstützt die kleine Gemeinschaft. Denn der Rollstuhl-Basketball-Verein Lüneburg zählt nur zwölf aktive Mitglieder und hat dazu eine Ausnahmestellung in der Sportlandschaft.

"In Adendorf gibt es noch eine Tanzgruppe für Rollstuhlfahrer", sagt Andreas Riebau, Spieler, Trainer, Vereinschef und Gründungsmitglied des RBV, "sonst gibt es hier kein weiteres Sportangebot für Rollstuhlfahrer. Da sind wir die Einzigen."

+++ Im Siebenkampf den Umgang mit dem Rollstuhl lernen +++

Basketball im Rollstuhl, das hat für behinderte Spieler einen ungewöhnlichen Vorteil. "Bei uns können ja auch nicht Behinderte, also Fußgänger, wie wir unterscheiden, mitspielen. Für mich war das der entscheidende Grund, diesen Mannschaftssport zu wählen. Denn als ich 1987 damit begann, ist mein Freund gemeinsam mit mir in die Mannschaft aufgenommen worden. Der war normaler Fußgänger, wie ich vor meinem Unfall auch."

Andreas Riebau aus Vögelsen war 21 Jahre alt, Gymnasiast in Lüneburg und leidenschaftlicher Radfahrer, als sich innerhalb von Sekunden sein Leben veränderte. "Auf meinem Fahrrad bin ich mit einem anderen Radfahrer zusammen geknallt, durch die Luft geflogen und so unglücklich auf einem Auto gelandet, dass mein Rückgrad am elften Brustwirbel durchbrach. Vom Bauchnabel an bin ich seitdem gelähmt." Die tiefe Verbitterung, die Gedanken an Selbstmord, davon kann Andreas Riebau längst gelassen erzählen. Die waren nach ein paar Monaten überwunden. "Ich konnte zwar nicht zur Marine, wie ich das geplant hatte", blickt er kurz zurück, "aber ich war schon damals Computerfreak. Mein Hobby habe ich dann zu meinem Beruf gemacht und in Lüneburg Wirtschaftsinformatik studiert."

Im Unfallkrankenhaus Boberg schon begann er mit Sport im Rollstuhl. In Lüneburg gehörte Andreas Riebau zu denen, die für ihre Gemeinschaft den eigenen Verein gründeten. Das war 1997. Vom 9. bis 10. Juni feiert der RBV mit einem großen Turnier sein 25-jähriges Bestehen.

Nachwuchssorgen gibt es nicht beim Rollstuhl-Basketball-Verein. Auf die Frage, ob es genügend Menschen im Rollstuhl gibt, für die Basketball spielen ein großer Gewinn wäre, kommt die Antwort schnell. "Oh ja, Rollstuhlfahrer, auch jüngere, gibt es in Lüneburg und im Landkreis recht viele. Früher habe ich fast jeden, dem ich an einer Ampel oder in einem Geschäft begegnete, zu unserem Training eingeladen. Manche sind gekommen. Der Antrieb muss von den Frauen und Männern selbst kommen. Sonst bringt das nichts."

Zu den letzen Heimspielen in der Oberliga hatten sie eine Aktion für Kinder und Jugendliche gestartet. Über ihren Förderer, die Lüneburger Firma "Reha-OT", die auch Rollstühle vertreibt, wurden Kunden angeschrieben. "Zuerst sind Eltern mit Kinder im Rollstuhl gekommen", erzählt die gute Seele des RBV, "für die und ihre nicht behinderten Geschwister und Freunde hatten wir einen speziellen Siebenkampf im Rollstuhl vorbereitet. Aber diesmal ist niemand gekommen. Wir würden ja gerne eine Rolli-Gruppe für Kinder aufbauen. Aber dafür müssten wir andere Hallenzeiten bekommen. Wir trainieren dienstags und freitags um 20 Uhr. Die Zeit kommt für Kinder nicht in Frage. Einigen Eltern habe ich deshalb empfohlen, sich an Blau-Weiss Buchholz zu wenden. Die haben ein sehr gutes Angebot für Behinderte." Andreas Riebau selbst hat sich für eine höhere Aufgabe im Rollstuhl-Basketball beworben. Er möchte gerne Nachfolger von Heidi Kirste aus Dohren als Trainer der Nationalmannschaft der Juniorinnen werden.

Das Oberligaspiel der Lüneburger gegen Tabellenführer Nusse ging mit 27:55 verloren. Sollte zur kommenden Saison der 17-jährige Joachim Schumann, den eine Virus-Erkrankung in den Rollstuhl zwingt, wieder mitspielen können, wollen die Lüneburger ihr Saisonziel höher stecken. "Unser Jüngster ist ein großes Talent", sagt Andreas Riebau, "mit ihm dürfen wir vielleicht vom Regionalliga-Aufstieg träumen."