Publikumsliebling aus dem Alten Land und der Hamburger Jung Karsten Kretschmer sorgen für die Höhepunkte.

Winsen. "Kühe, Schweine, Farmer Joe", schallt es durch die Stadthalle. Die Fans reißen rote Papp-Äpfel in die Höhe, haben sich selbst gestylte Farmer-Joe-Schals um den Hals gehängt und tragen T-Shirts mit der Aufforderung: "Farmer Joe, ich will einen Apfel von Dir." Zum dritten Mal veranstaltet der Verein Catch Wrestling Norddeutschland (CWN) einen Kampfabend in Winsen. Und die Winsen-Mania 2009 hat einen uneingeschränkten Publikumsliebling.

Dabei entspricht dieser Farmer Joe aus dem Alten Land nicht dem Idealtypus eines imposanten Catchwrestlers. Seine 139 Kilogramm, verteilt auf 190 Zentimeter Körpergröße, konzentrieren sich eher im Fettgewebe seines Bäuchleins als in Muskeln. Mit der Jeans-Latzhose, einer Kordel als Gürtel um die ausladenden Hüften und einem Blecheimer voll Äpfel kommt er gemütlich daher. Zum tollpatschigen Image passt, dass er mit einem der Äpfel, die er ins Publikum wirft, eine Deckenleuchte herunterholt, die im Ring zersplittert.

Doch gerade dafür lieben ihn die Fans. "Der ist ein bisschen wie wir", sagte die 20 Jahre alte Vanessa aus Scharmbeck, die mit zwei Freundinnen da ist, um "die super Stimmung zu genießen, Spaß zu haben und zu feiern." Erst recht gefeiert wird Farmer Joe, als er im HSV-Poncho zum Six-Men-Tag-Team-Match, dem Fight zweier Dreierteams, in den Ring steigt - und gewinnt. Da stört es nicht, dass "Bad Bones" John Kay mal kurz den Ringrichter am Bein aus dem Ring zerrt. Am Ende reißen Bad Bones und der Dritte im Bunde des Siegerteams, Ahmed Chaer aus Berlin, abwechselnd ein riesiges Kühe- und ein Schweine-Plakat in die Höhe und die Fans stimmen aus voller Kehle ein: "Farmer Joe".

Farmer Joe, der eigentlich Johannes Bayer heißt und vor 27 Jahren im Alten Land geboren wurde, studierte ein halbes Jahr Agrarwirtschaft und ist heute in Heidelberg Fleisch-Fachverkäufer. "50 bis 80 solche Shows bestreite ich im Jahr. So beliebt wie hier bin ich aber nirgends", strahlt der Sympathieträger. Die Veranstalter um den CWN-Vorsitzenden Marcus Sellhorn bieten den 400 ein Spektakel von mehr als drei Stunden Länge. Vier Einzel- und zwei Teamkämpfe mit 18 europäischen Kämpfern lassen die Wogen hoch schlagen - manchmal zu hoch. Dennoch ist Sellhorn zufrieden, mit der Stimmung und mit der Resonanz. So viele Catch-Wrestling-Fans wie in Winsen kommen sonst nicht.

Höhepunkt und Abschluss ist der Fight um die deutsche Meisterschaft zwischen Titelverteidiger Absolute Andy aus Nürnberg und dem Hamburger Jung Karsten Kretschmer. Auch hier sind die Sympathien verteilt: Während sich der eine als "Nürnberger Würstchen" beschimpfen lassen muss, wird der andere mit "Wir sind alle Hamburger Jungs" gefeiert. Ringrichter Tassilo Jung hat bei dem 25-minütigen Gemetzel Mühe, den Überblick zu behalten. Als Absolute Andy seinen Gegner gezielt in die Augen greift und von Jung verwarnt wird, entgegnet dieser: "Ich hab ihn doch nur massiert." Die Kontrahenten katapultieren sich gegenseitig aus dem Ring und über die Bühne, werfen sich durch die Stuhlreihen und machen auch vorm Verkaufsstand mit Wrestlingartikeln nicht halt. Sogar die Geldkassette geht scheppernd zu Boden. Die Entscheidung fällt aber im Ring, als Kretschmer von den drei plötzlich auftauchenden Wrestlern aus Österreich abgelenkt wird und Absolute Andy seinen Titel per Schultersieg verteidigt. Dennoch greift Kretschmer (34) danach ein letztes Mal tief bewegt zum Mikrofon: "Es war wieder saugeil hier. Wenn ihr mich immer wieder sehen wollt, stehe ich noch mit 60 im Ring."