Mieten im Rote-Hahn-Stift sollen trotz Millioneninvestition sozialverträglich bleiben. Der Versuch der Anti-Gentrifizierung

Lüneburg . Es ist exakt 535 Jahre her, da wird das Gebäude zum ersten Mal in den Urkunden erwähnt. Heute erfüllt es immer noch denselben Zweck: Menschen mit knappem Budget ein Zuhause zu geben. Jetzt wird der "Rote Hahn", gegenüber der Lüneburger Kneipenmeile am Stintmarkt gelegen, für eine Million Euro saniert. Die Mieten sollen trotzdem nicht steigen.

Es ist ein Projekt wie aus einem Märchen: Menschen mit wenig Geld wohnen in einem denkmalgeschützten Komplex aus Backstein und Holzbalken, und das mitten in der Stadt. Dann kommt ein Investor und sorgt dafür, dass die Mieter es besser haben, indem er Schäden beheben und Fenster dämmen lässt.

Die Sanierung dauert lange, der Eigentümer lässt sie sich viel kosten - und wenn alles schön neu glänzt, wohnen immer noch dieselben Menschen in den Wohnungen. Die mit dem knappen Budget. Das ist Anti-Gentrifizierung.

Und das geht, weil der Investor eine Stiftung ist. Die Lüneburger Bürgerstiftung. Im September 2005 gegründet, reichen ihre Wurzeln bis ins Mittelalter zurück. Denn schon vor Jahrhunderten haben Lüneburger ihrer Stadt große und kleine Vermögen aus Nachlässen, Grablegaten und Zuwendungen für wohltätige Zwecke gestiftet, und zahlreiche kleine historische Stiftungen hat die Stadt schließlich in eine große Bürgerstiftung zusammengelegt.

Ihr gehört das Rote-Hahn-Stift, kurz Roter Hahn genannt. Hinrik Erpensen hieß der erste Eigentümer, er war ein reicher Ratmann und ließ dort Arme und Kranke wohnen. "Gottesbuden werden die Häuser genannt", sagt die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Elke Frost. Gottesbuden, weil die Menschen, die darin leben durften, als Gegenleistung ein Versprechen abgegeben haben: dass sie für den Erbauer beten.

1537 ist in dem Komplex aus mehreren verschachtelten Häuschen ein Hospital für Krankenpflege und Armenbetreuung eingerichtet worden - und viele Jahrhunderte lang blieb es das. Mittlerweile sind aus den Gottesbuden elf kleine Wohnungen geworden. Um dort leben zu können, müssen die Mieter nicht beten, sondern einen Wohnberechtigungsschein besitzen. "Der Rote Hahn ist Wohnraum für Einkommensschwache, und das wird auch so bleiben", sagt Elke Frost.

Insgesamt rund eine Million Euro nimmt die Stiftung in die Hand, um den Komplex grundlegend zu sanieren. Vier Bauabschnitte hat das Büro Henschke und Schulze aus Lüneburg veranschlagt, insgesamt drei Jahre. "Wir werden Gebäude für Gebäude sanieren", sagt Architekt Gunnar Schulze, "und zwar unter größtmöglichem Erhalt der Nutzung." Zwei Wohnungen stehen leer, die als Ausweichquartier für die Mieter dienen können, deren Wohnung gerade dran ist.

Bei der bauphysikalischen Voruntersuchung haben die Fachleute nicht nur Schadstoffe - unter anderem Asbest - entdeckt, sondern auch immense Schäden: Abplatzungen, Risse, gelöste Steine und kaputte Fugen. Normal bei jahrhundertealten Gemäuern. "Wir müssen auch das Gründungsmauerwerk instand setzen und gegen das Grundwasser schützen", sagt Schulze. Außerdem werden die stark versalzenen Mauern per Innenschale gedämmt und die Fenster mit Vorsatzelementen in den Wohnungen versehen. "Von außen bleibt das Bild so weit es irgend geht erhalten."

Ende Mai beginnen die Arbeiten am Gebäudeteil über dem Durchgang zur Rotehahnstraße hin aus dem Jahr 1596 sowie am Flügelbau im Hof von 1631, sieben Monate sind dafür geplant. "Das ist der größte Happen", so Schulze.

440 000 Euro Städtebaufördermittel gibt es für das Projekt, die Stiftung Hospital zum Großen Heiligen Geist gibt einen Zuschuss, und die Bürgerstiftung hat einen günstigen Kredit bei der Bank bekommen. "Aus eigenen Mitteln hätten wir das nicht aufbringen können", sagt Wolfgang Kuhn aus dem Vorstand der Stiftung. Und rechnen würde sich das 500-Quadratmeter-Mammutprojekt bei Mieten von unter sechs Euro schon gar nicht.

Auf Zustiftungen und Spenden ist die Bürgerstiftung allerdings angewiesen, macht Elke Frost deutlich. "Das Projekt ist eine gewaltige Herausforderung, und wir brauchen weiteres Geld. Wir machen nur das absolut Notwendige, sonst bricht das hier zusammen." Denn dass das Haus immer für Leute mit wenig Geld da war, bedeutet auch, dass immer wenig Geld in Sanierungen investiert wurde.

Das holt die Stiftung jetzt nach - und für Lüneburg-Besucher bedeutet das: Den historischen Innenhof mit seinen Felssteinen, bleiverglasten Fenstern, verwinkelten Treppen und Tausteinen über den Türen müssen sie für die Zeit der Sanierung aus ihrem Rundgang durch die Innenstadt streichen.