Die Lüneburgerin Salma Gaffar will Mode machen, seit sie ein Kind ist. Nun steht sie kurz vor dem Abschluss

Lüneburg. Salma Gaffar ging noch nicht zur Schule, da schleppte die Kleine ihre Mutter bei der Suche nach einem Schneeanzug so lange durch die Geschäfte, bis die entnervt aufgab. Und Tage später dann doch so lange durchhielt, bis der Knirps endlich einverstanden war mit einer Version, die dort im Laden auf dem Bügel hing. Heute ist der wählerische Nachwuchs 31 Jahre alt und steht kurz vorm Diplom. Studienfach: Modedesign, natürlich.

Hart war der Weg dorthin beizeiten, aber Salma Gaffar wusste schon immer, dass sie ihn gehen wollte. Seit 20 Jahren weiß sie, dass sie Mode machen möchte, Kleider, die die Menschen tragen. "Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals etwas anderes machen wollte", sagt die junge Frau, die in Lüneburg lebt und an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg studiert.

Als sie ihrem Stoffaffen aus Schuhkartondeckeln einen Schulranzen mit Wollriemchen gebastelt und eine Jeans nach dem Vorbild einer Modezeitschrift mit Fäden bestickt hatte, schenkte ihre Mutter der Tochter eine Nähmaschine. Da war Salma zwölf Jahre alt. Selbst nähen konnte ihre Mutter allerdings nicht, und zeigen, wie die Maschine richtig funktioniert, auch nicht. "Ich muss wohl falsch eingefädelt haben", erinnert sich die 31-Jährige heute. "Jedenfalls riss der Faden ständig, ich war enttäuscht und traurig." Sie stellte die Maschine weg. Zeichnete stattdessen, malte, bastelte.

Heute steht die Maschine in ihrer Werkstatt, und Salma Gaffar näht damit ihre Diplom-Kollektion. Die ersten Kleider hat sie im September bei einer Modenschau der Klasse von Prof. Viktoria Greiter in den Deichtorhallen gezeigt. Und an diesem Wochenende zeigen acht Kommilitonen und sie ausgewählte Stücke bei der Neueröffnung der Sammlung Design im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

Kleider aus Rauten zeigt die Lüneburgerin dann, sie nennt sie Körper-Formen. Sie entwickelte einen Bauteil aus Stoff, den sie immer wieder aneinandersetzen konnte: eine Raute mit einem Loch in der Mitte. Hunderte der handgroßen Stoffstücke schnitt sie aus unbehandeltem Baumwollstoff, bedruckte sie in roten, blauen, petrolfarbenen und braunen Mustern - mit Hilfsmitteln aus Baumarkt und heimischer Küche. Die Rauten nähte die zukünftige Diplom-Designerin zu dreidimensionalen Gebilden zusammen, die wiederum hängte sie an einem Gerüst aus Stoffbahnen auf. "Ich habe mich entschieden, die Stoffgebilde mit dem menschlichen Körper enden zu lassen", erklärt sie. Fünf Kleider aus Rauten hat die Studentin schon genäht.

Parallel dazu hat sie an einem zweiten Thema gearbeitet: dem Aufbewahren von Vergänglichem. "Ich wollte wissen, wie ich etwas festhalten kann, von dem ich weiß, dass es vergeht", sagt Salma Gaffar. Ihre Lösung: Sie näht es nach. Teile von Menschen in ihrem direkten Umfeld: Kopf, Torso, Arme, Hände, Beine, Füße. Exakt nach der lebenden Vorlage.

Tragbar ist dieser Teil ihrer Arbeit nicht - wohl aber die Rautenkleider. "Ich habe mich bewusst dazu entschieden, tragbare Kleidung zu formen", sagt sie. "Wenn auch natürlich nicht für den Alltag und zu jedem Anlass." Überhaupt stört die Studentin, dass über designte Mode oft gesagt wird, sie sei nicht tragbar. "Ich sehe das anders. Haute Couture kann man zwar nicht einfach aus dem Schrank nehmen und anziehen. Aber man kann mit ihr etwas aussagen, eine Stimmung transportieren."

Ihre Kollektion präsentiert die Diplomandin Ende Oktober in der Hochschule. Einfach war ihr Weg dorthin aber nicht. So hat sie sich als Abiturientin fünfmal an Hochschulen beworben, ohne angenommen worden zu sein. "Ich wusste damals nicht, dass es üblich ist, Kurse für die Vorbereitung der Mappen mit Arbeitsproben für die Bewerbung zu besuchen."

Schließlich bekam sie einen Platz an der HAW in Hamburg. Lernte professionell nähen, zeichnen, malen, paukte Kunst-, Design- und Kostümgeschichte, übte Schnitttechnik und Drapieren. Und probierte ganz praktisch den langen Lauf einer Kollektion: von Idee über Konzept, Stoffproben und Nähen bis zu Modelsuche, Foto-Shooting und Modenschau. Inklusive schlafloser Nächte in der Werkstatt, inklusive Blut, Schweiß und Tränen. Doch das ist es ihr wert. Schließlich hat Salma Gaffar schon immer gewusst, dass sie Mode machen will.

Den lange gesuchten Schneeanzug aus Kindergartenzeiten hat sie übrigens aufbewahrt. Er ist hellblau - und ganz schlicht.