In den vergangenen drei Monaten wurde im Agenturbezirk kein einziger Antrag auf Gründungszuschuss genehmigt

Lüneburg. Momentan muss man Unternehmensgründer in der Region Lüneburg mit der Lupe suchen. Die Zahl der Gründungen in der Region fiel 2011 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg in ihrem aktuellen Gründungsbarometer.

Sönke Feldhusen, Leiter des Geschäftsbereichs Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK, sieht in dieser Entwicklung Licht und Schatten: "Die gute Lage am Arbeitsmarkt verbessert die Chancen auf eine günstige Karriere als Angestellter. Das Wagnis Unternehmertum erscheint da manchem zu riskant. Aber wir brauchen nicht nur Fachkräfte, sondern auch gute Unternehmer, die die Arbeitsplätze von morgen schaffen." Für das laufende Jahr rechnet er mit einem weiteren Rückgang der Existenzgründungen.

Auch Susanne Serbest, Sprecherin der Agentur für Arbeit in Lüneburg, macht die derzeit entspannte Lage am Arbeitsmarkt für den Rückgang der Gründungen verantwortlich. "Vor einiger Zeit noch habe sich ein arbeitsloser Elektriker selbstständig gemacht. Heute gibt es auf dem Markt keine arbeitslosen Elektriker mehr."

Heiko Bieniußa ist Unternehmensberater und hat sich auf Existenzgründungen, meist von Kleinstbetrieben spezialisiert. "Das sind zum Beispiel Werbegrafiker, die heute kaum noch angestellt sind, sondern frei arbeiten", sagt er. "Oder Hebammen." Bieniußa kann sich einen weiteren Grund vorstellen, warum im Moment weniger Menschen das Wagnis eingehen, sich selbstständig zu machen: Er macht unter anderem die Reform des Gründungszuschusses verantwortlich, mit dem die Agentur für Arbeit Arbeitslose, die sich selbstständig machen wollen, unterstützt. Im November 2011 beschloss die Bundesregierung eine Neuregelung der staatlichen Hilfe. Seitdem ist die finanzielle Unterstützung keine Pflicht- sondern eine Ermessensleistung der Agenturmitarbeiter. Zudem wurde der Kundenkreis durch höhere Anforderungen verkleinert, gleichzeitig wurde der Förderzeitraum verkürzt.

Im Agenturbezirk Lüneburg, der neben Stadt und Landkreis Lüneburg auch den Landkreis Harburg umfasst, haben seit Jahresbeginn 479 Arbeitslose den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Das sind 353 weniger als im Vorjahreszeittraum. Bei 271 Anträgen haben die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit den Gründungszuschuss gewährt. "Die Beratung vor der Antragstellung ist viel wichtiger geworden. Wir trainieren auch das Antragsgespräch, die Gründer müssen ihre Idee gegenüber den Mitarbeitern der Agentur für Arbeit überzeugend präsentieren können", sagt Heiko Bieniußa. Wer einen Gründungszuschuss beantragt, muss neben seiner fachlichen Eignung, einen komplett durchkalkulierten Businessplan und seine Eignung als Unternehmer nachweisen. Das geschieht mittels eines schriftlichen Tests, in dem anhand von verschiedenen Antwortmöglichkeiten Risikofreude, Verantwortungsbewusstsein und Fähigkeit zur Organisation und andere Kompetenzen geprüft werden. Zudem muss die finanzielle Tragfähigkeit gewährleistet sein. Ein Steuerberater, Notar oder Unternehmensberater, eine sogenannte fachkundige Stelle, muss dann nach sorgfältiger Prüfung das Gründungsvorhaben befürworten.

In der Agentur für Arbeit wird das Gesamtpaket noch einmal geprüft. Jeder vierte Antrag, der in diesem Jahr im Agenturbezirk gestellt wurde, wurde abgelehnt. In ihren Statistiken weist die Agentur in den Monaten Mai, Juni und Juli keinen einzigen bewilligten Antrag auf Gründungszuschuss aus. "Erst ab drei Bewilligungen weisen wir das im monatlichen Arbeitsmarktbericht aus", sagt Susanne Serbest von der Agentur für Arbeit Lüneburg.

Heiko Bieniußa kann nicht in jedem Fall die Ablehnungsgründe nachvollziehen. Besteht der Antragsteller den Test, werde häufig die Tragfähigkeit angezweifelt. "Einmal wurde bemängelt, dass ein Antragsteller, der sich als Versicherungsmakler selbstständig machen wollte, die Umsatzsteuer nicht im Businessplan ausgewiesen hat. Dabei sind Versicherungsmakler von dieser Steuer befreit", sagt Heiko Bieniußa. Gegen die Entscheidung legte der Antragsteller Widerspruch ein. Ein anderes Mal hätte die Agentur einen Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Existenzgründer im ersten Jahr zu wenig für die private Rentenvorsorge eingeplant habe.

Vorrang vor Existenzgründung hat ein Jobangebot. Wer sich dennoch selbstständig machen will, muss auf den Zuschuss verzichten. Zu hoch dürfen die Gewinnerwartungen in der Anfangszeit aber auch nicht ausfallen, wenn man in den Genuss der staatlichen Förderung kommen wolle, bestätigt Susanne Serbest. "Wer Chancen auf einen guten Verdienst hat und nicht auf den Anschub angewiesen ist, bekommt ihn auch nicht." Heiko Bieniußa sieht das anders: "Im Normalfall tragen sich Unternehmen nicht vom ersten Tag an." Für den Unternehmensberater zeichnet sich eine neue Tendenz ab. "Ich gehe davon aus, dass die Zahl derjenigen, die sich aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II heraus selbstständig machen, zunehmen wird. Dem Jobcenter stehen verschiedene Fördermöglichkeiten zur Verfügung. Zum Beispiel können Investitionen mit bis zu 4000 Euro gefördert werden."