Der Landkreis Lüneburg ist mit maßgeschneiderten Angeboten für Schüler ohne Abschluss erfolgreich. Niedersachsen bundesweit im Mittelfeld.

Lüneburg. Die gute Nachricht ist: Im Vergleich zu den 70er-Jahren ist die Zahl derjenigen in Niedersachsen, die ohne Abschluss die Schule verlassen, deutlich gesunken. 1974 ging etwa jeder zehnte Schüler ohne Abschluss von der Schule ab. Das geht aus der Statistik des Niedersächsischen Kultusministeriums hervor. Mehr als 11 000 junge Frauen und Männer waren betroffen. Mehr als ein Vierteljahrhundert später sieht das ganz anders aus. 2376 Schulabgänger ohne Abschluss zählte das Kultusministerium im Schuljahr 2009/2010.

Wie viele davon aus Lüneburg kommen, kann das Ministerium auf Nachfrage nicht sagen. Aktuelle Zahlen seien sowieso erst zum Schuljahresbeginn zu erwarten, sagt Ministeriumssprecher Roman Haase. Auch in der Landesschulbehörde Lüneburg kann niemand sagen, wie viele Jugendliche in Stadt und Landkreis im vergangenen Schuljahr ohne Abschluss die Schule abgebrochen haben. Jede einzelne Schule trage ihre Daten in eine Datenbank des Ministeriums ein, teilt Susanne Strätz, Sprecherin der Landesschulbehörde mit.

Gemessen an der Zahl der Schulabbrecher nimmt Niedersachsen bundesweit einen Platz im Mittelfeld ein, liegt jedoch deutlich vor den Nachbarländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen. Das Ranking des Bildungsmonitors, der von der Initiative für neue soziale Marktwirtschaft und dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln erstellt wurde, lobt in seinem Bericht: "Sehr gut gelingt es den Niedersachsen, Schulabschlüsse im beruflichen Bildungssystem nachzuholen. Gemessen an der Größe der entsprechenden Alterskohorte wurde im Jahr 2009 der Bestwert in Deutschland erreicht." Der Wert in Niedersachsen lag bei 5,1 Prozent, während der Bundesdurchschnitt 2,8 Prozent betrug.

In Stadt und Landkreis Lüneburg laufen zum Thema Bildung seit etwas mehr als zwei Monaten alle Fäden im sogenannten Bildungsbüro zusammen. In Bezug auf die Abbrecherquote verfolgt Martin Peters, Gründungsleiter der Einrichtung, ein ehrgeiziges Ziel. "Wir wollen die Quote noch einmal halbieren", sagt der langjährige Schulleiter aus Adendorf. Auf einer Fachtagung habe er kürzlich festgestellt, dass die Weichen in der Region Lüneburg schon vor einigen Jahren richtig gestellt worden seien.

"Das Portal Schüler Online ist ein Pfund mit dem wir wuchern können", sagt Peters. Alle Schüler der Haupt- und Realschulen in Stadt und Landkreis registrieren sich in dem Internetportal, wenn sie das 9. beziehungsweise 10. Schuljahr erreichen. Neben Angaben zur Person müssen die Schüler Angaben darüber machen, wie es für sie nach der Schule weitergeht. Wer einen Ausbildungsplatz gefunden hat, kann das ebenso anklicken, wie jemand, der noch nicht weiß, welchen beruflichen Weg er einschlagen möchte. Regelmäßig kontrolliert werden die Einträge von den Klassenlehrern, die für die Arbeit mit dem System speziell geschult werden. Klickt zum Beispiel ein Schüler an, dass er noch nicht weiß, wie es nach der Schule weitergeht, informiert der zuständige Lehrer die Schulsozialarbeiter, die dann dem Schüler in einem Gespräch verschiedene Optionen vorstellen, wie es weitergehen kann.

Auch für die Schüler, die ihre Schulausbildung ohne Abschluss beenden, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Abschluss nachzuholen. In den meisten Fällen ist der Schulabschluss Voraussetzung, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen. "Wer einen schlechten Schulabschluss hat, ab einem Durchschnitt von 3,5, kann die sogenannte Berufseinstiegsklasse besuchen und dort seinen Abschluss verbessern. Ziel der Berufsvorbereitungsklasse ist ebenfalls der Hauptschulabschluss. Schulverweigerer, die schon über einen längeren Zeitraum nicht regelmäßig am Unterricht teilgenommen haben, können sich mit Hilfe des Projektes Zweite Chance auf einen Abschluss vorbereiten", zählt Martin Peters auf. Auch die Volkshochschule bietet verschiedene Kurse an, um Schulabschlüsse nachzuholen.

In Hannover ist man mit der Arbeit der regionalen Bildungszentren in Niedersachsen zufrieden. "Es gibt unterschiedliche Gründe für den erfreulichen Rückgang der Abbrecherquote von 10,4 Prozent im Jahr 2003 auf 5,9 Prozent im vergangenen Jahr: kleinere Klassengrößen, Verbesserung der Sprachkompetenz besonders von Kindern mit Migrationshintergrund, Stärkung der Ausbildungsfähigkeit und Angebote zum nachträglichen Erwerb beziehungsweise zur Verbesserung eines Hauptschulabschlusses. Wir haben massiv in Bildung investiert und werden das auch weiterhin tun. Zum Beispiel in eine verstärkte Berufsorientierung an unseren Schulen", sagt Bernd Althusmann (CDU), niedersächsischer Kultusminister.

Mit dem Bildungsbüro, das mit 400 000 Euro aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes ausgestattet ist, hat Martin Peters noch viel vor. "Wir wollen, dass niemand verloren geht." Auch angesichts des demografischen Wandels könne es sich die Region nicht leisten, auf künftige Fachkräfte zu verzichten.

Das Portal Schüler Online soll, wenn es nach Peters geht, in den kommenden zwölf Monaten an einigen Stellen modifiziert werden. So sollen künftig auch die Schüler von Förderschulen das System nutzen. An den Gymnasien dagegen gebe es keinen Handlungsbedarf in dieser Frage. Außerdem könnte sich der langjährige Schulleiter vorstellen, die Dauer der Begleitung auszubauen. "Jetzt weiß man nicht, wie sich die Schüler in der Ausbildung bewähren, ob sie dabei bleiben, auch die Betriebe sollten hier stärker eingebunden werden", sagt Peters. In einigen Fällen sei die Betreuung nach Beendigung der Schule sinnvoll. Martin Peters hat festgestellt, dass einige Schüler auch nach ihrem Abschluss das Portal nutzen. Anfang September treffen sich Vertreter von Stadt und Landkreis mit Mitarbeitern der Agentur für Arbeit im Bildungsbüro um künftig noch enger zusammen zu arbeiten.