Nicht jeder hat Lust oder die Möglichkeit, im Sommer zu verreisen. Aber der alte Satz “Warum in die Ferne schweifen, siehe, das Gute liegt so nah“ hat auf jeden Fall seine Berechtigung. Die Rundschau stellt in einer Serie Ziele für den Urlaub daheim vor. In dieser Woche Radtouren. Heute: Route der Backsteingotik.

Lüneburg. Die Sonne scheint, es sind 25 Grad, eine leichte Brise weht durch die Lüner Straße. Bei idealem Radwetter startet am "Alten Kran" am Stint eine Tour entlang der Europäischen Route der Backsteingotik. Selbstverständlich aber kann der 20 Kilometer lange Rundweg - ausgearbeitet vom Lüneburger Stadtarchäologen Edgar Ring - auch von anderen Punkten gestartet werden.

Über Kopfsteinpflaster geht es links der Ilmenau zum Behördenzentrum, vorbei an der Warburg. Einst wurde hier nachts der Zugang zum Hafen mit einer Kette versperrt. Dem Flusslauf folgend führt die Route auf einen festen Sandweg, dem Treidelpfad, in Richtung Bardowick.

Umgeben von Brombeerbüschen und wilden Blumen folgt der wohl schönste Streckenabschnitt gleich zu Beginn der insgesamt herrlichen Tour. Kurz vor Bardowick knickt die Ilmenau nach rechts. Links sind in einem kleinen Wäldchen Reste der Landwehr zu sehen, ein Wall- und Grabensystem, über das im Mittelalter der Handelsverkehr gelenkt wurde. Ein Ministrand lädt zum Baden ein.

In Bardowick führt die Route zu einem echten Idyll: Beim Einfahren in den Nikolaihof fühlt man sich beinahe wie ein Zeitreisender. Mittelalterlich muten die Backsteinbauten rund um die Kapelle St. Nikolai an. Aus dem kleinen Gotteshaus dringen meditative Klänge. Innen steht der Künstler José Ramon vor dem Altar. Sein leise gesungenes Gebet erfüllt den Raum, es riecht nach Räucherstäbchen. "Willkommen", sagt der Mann und lächelt. Seit sechs Jahren wohnt Ramon im Frauenhaus. Täglich singt er hier "Gottes Lob". Mit etwas Glück erwischt man den aus Spanien stammenden Künstler und kann sich von ihm von der Geschichte des Nikolaihofes berichten lassen. Aber auch offizielle Führungen sind nach Absprache möglich (siehe Infokasten).

Ebenso beim nächsten Etappenziel, dem Bardowicker Dom. Imposant ragt die dreischiffige Backsteinhallenkirche mit den zwei Türmen in den Himmel. Besonders sehenswert sind innen das kunstvoll geschnitzte Chorgestühl aus den Jahren 1486/87 und der Holzaltar. Vom Dom aus führt die Route über die Ilmenaubrücke in Richtung Adendorf.

Nur ein kleines Stück geht es auf einem Radweg an der Adendorfer Straße entlang, dann biegt man rechts in den Vrestorfer Weg. Der schattige, zunächst noch asphaltierte Waldweg bietet eine erfrischende Abwechslung zum sonnigen Treidelpfad. Einzig in Adendorf muss kurze Zeit auf die schöne Landschaft verzichtet werden. Stattdessen geht es durch Neubauten in den alten Ortskern, zur ältesten Kapelle des Landkreises Lüneburg: der Johanneskapelle. Geöffnet ist der spätgotische Bau allerdings nur sonnabends. Dann können Besucher zum Beispiel die Taufe aus Eichenholz bestaunen.

Überhaupt gibt es auf dieser besonderen Tour viele Kleinode der Region zu entdecken. Den krönenden Abschluss bildet das Kloster Lüne. Eine Führung durch die vollständig erhaltene Klosteranlage sei unbedingt empfohlen. Der Kreuzgang, die Nonnenzellen und Buntglasfenster aus dem 14. bis 17. Jahrhundert sind faszinierend anzusehen. Die Stille des Ortes lässt jede Alltagshektik vergessen. Einen Besuch lohnt auch der Kräutergarten. Stolz präsentiert hier Klosterbewohner und ehrenamtlicher Kräutergärtner Heinz Matheis seine Pflanzen. Er kennt die Eigenschaften eines jeden Gewächses und erzählt nebenbei immer wieder Geschichten aus seiner 35-jährigen Klosterzeit.

Bevor es zurück zum Stint geht, können die vielen Eindrücke des Tages bei einem Imbiss im Klostercafé rekapituliert werden. Alle Speisen bestehen aus regionalen, saisonalen und ausgesuchten biologischen Produkten. Und, typisch fürs Kloster, unterstützt der Gast damit den gemeinnützigen Pächter: Die Neue Arbeit Lüneburg beschäftigt schwer vermittelbare arbeitslose Menschen und versucht ihnen so eine neue Perspektive zu eröffnen. Ein gelungener Abschluss also für die wunderschöne Tour, die zwischen zwei und fünf Stunden dauert.