Künstlerin Kirstin Linck ist stark sehbehindert und drückt mit Skulpturen auch ihre Wahrnehmung der Umwelt aus. Inspiration auf Reisen.

Lüneburg. Kirstin Linck ist keine, die vor Herausforderungen Angst hat. Sie bewältigt ihren Alltag trotz einer starken Sehbehinderung weitgehend allein, auch wenn sie sich über kleine Hilfestellungen ihrer Mitmenschen im Alltag durchaus freut. Die Lüneburgerin ist beinahe blind, nur ein kleines Restsehvermögen hilft ihr, sich zu orientieren. "Und auch dieser Rest an Augenlicht schwindet mehr und mehr", sagt sie.

Dennoch arbeitet Kirstin Linck in ihrer Freizeit als ambitionierte Künstlerin: Sie ist Mitglied im Kunstforum Gellersen e.V, schafft Skulpturen und beteiligt sich auch an Ausstellungen. Seit mehr als zehn Jahren ist sie in der künstlerischen Szene in Lüneburg und Umgebung aktiv. "Ein- oder zweimal im Jahr bin ich auf jeden Fall dabei", sagt sie, und hat auch bereits auf dem sommerlichen Kunstpfad Goseburg gezeigt, was ihre Hände geschaffen haben. Während der Hansetage hat sie sich am Hansekunsthandwerkermarkt in Vierorten beteiligt, zwei Tage lang ausgestellt, hat mit den Besuchern gesprochen, den Kontakt zu den anderen Künstlern aufgebaut oder gefestigt. "Das Gespräch mit Gleichgesinnten ist mir wichtig", sagt sie.

Begonnen hat alles in einem besonders schneereichen Winter vor ein paar Jahren. Damals formte sie ihre erste Skulptur aus Schnee, eine Freundin ermutigte sie, den Weg fortzusetzen. So begann Kirstin Linck mit Ton zu arbeiten. "Zuerst in meiner Küche Zuhause, dann in einem eigenen Atelier. Ich entwickle erst im Geist eine anfängliche Vorstellung von der Skulptur, dann spüre ich nach, ob und wie sie sich unter meinen Händen weiterentwickelt. Ich vergesse die Zeit, wenn ich künstlerisch arbeite", erklärt Kirstin Linck. Die Bilder vor ihrem geistigen Auge und ihre Vorstellung von dem, was ihre Hände ertasten, ergeben die Vorlage für ihre Werke. Bevorzugt arbeitet sie mit Ton. "Glas und Pappmache als Werkstoffe würden mich aber außerdem interessieren", meint sie.

Ihre Themen findet sie im Alltag, überall dort, wo auch Sehende emotional reagieren: Masken hat sie schon mehrere gefertigt, eine davon - die Faust im geöffneten Mund - zeigt bildlich, wie sehr sprachliche Gewalt verletzen kann. "Off balance" oder "verkehrte Welt" heißen ihre Skulpturen - und geben bereits einen deutlichen Hinweis darauf, welche Eindrücke eine Nichtsehende beschäftigen. "Blinde nehmen die Welt anders wahr", sagt sie: Hier sind Geräusche und Bewegungen, auch schon leichte Erschütterungen, viel wichtiger als im Alltag der Nichtbehinderten.

Auch wenn ihr Augenlicht aufgrund einer angeborenen, fortschreitenden Erkrankung ihr kaum noch zur Verfügung steht, zieht Kirstin Linck sich nicht zurück: von einer Japanreise hat sie viele künstlerische Anregungen mitgebracht und in Form von tönernen Pagoden umgesetzt - wobei es für eine Nichtsehende auch in Zeiten des Massentourismus nicht so leicht ist, sich fremde Regionen zu erschließen. Viele Wege auf der Welt stehen in erster Linie Nichtbehinderten offen, weil an die anderen bei der Planung nicht gedacht wurde. "Der Öffentliche Raum ist an vielen Stellen noch immer nicht so ausgelegt, dass sich dort nicht alle ohne Probleme bewegen können. Dabei ist Teilhabe wichtig, es fördert die Selbständigkeit", sagt Kirstin Linck.

Um mehr Teilhabe und eine bessere Eingliederung zu gewährleisten engagiert sie sich - seit Jahresbeginn als stellvertretende Vorsitzende - auch im Behindertenbeirat der Stadt Lüneburg. "Ich möchte gern für alle etwas erreichen, die mit einer dauernden Beeinträchtigung ihre Fähigkeiten leben", sagt sie. Noch immer müssen behinderte Menschen ihre Bedürfnisse andauernd formulieren und einfordern. "Wir werden überall interessiert betrachtet, stehen immer unter Beobachtung. Aber der Mut, sich uns zu nähern, fehlt vielen Menschen", sagt Kirstin Linck.

Sie selbst freut sich über freundliche Kontaktaufnahmen und kleine Hilfsangebote, trifft aber hin und wieder trotz aller Bemühungen auf Hemmungen in ihrer Umwelt. Auch wenn sie als Künstlerinaktiv wird, hat sie deshalb in der Regel ein Album dabei, aus dem sich ihr Werdegang und ihre Biografie ergeben - als erste Einführung in ihr Werk können sich die Menschen in ihrer Umgebung dann ein erstes Bild von ihr machen.

"Mein Traum wäre einmal eine größere Ausstellung auch außerhalb von Lüneburg", sagt sie. "Doch ich weiß, wie schwer das ist."