Der EU-geförderte Innovationsinkubator sei “Etikettenschwindel“, sagt Stades Landrat. Nur die Leuphana Universität profitiert davon.

Stade/Lüneburg/Harburg. Das EU-weit einmalige Forschungsprojekt "Innovationsinkubator" an der Universität Lüneburg steht heftig in der Kritik. Politiker sprechen bei dem millionenschweren Projekt von einem "Etikettenschwindel", hinter vorgehaltener Hand wird von Lüneburger Klüngel gesprochen, um Geld nicht mit anderen Landkreisen teilen zu müssen. Stades Erster Stadtrat Dirk Kraska und auch Stades Landrat Michael Roesberg glauben, dass das Thema bald den Rechnungshof beschäftigen könnte. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade nimmt das Projekt dagegen in Schutz. Sie sieht vor allem ein Kommunikationsproblem als Ursache für die harsche Kritik.

Hinter dem sperrigen Namen Innovationsinkubator verbirgt sich ein europaweit einmaliges Projekt zur Förderung der Wirtschaft im ehemaligen Regierungsbezirk Lüneburg. Drei Schwerpunkte gibt es: "Gesundheit", "Digitale Medien" und "Nachhaltige Energie". Die Leuphana Universität Lüneburg und das Land Niedersachsen haben das Projekt 2009 gemeinsam gestartet - mit massiver finanzieller Förderung von der EU, die knapp 100 Millionen Euro für eine Förderung des Gebiets bereitstellt, zu dem unter anderem auch die Landkreise Harburg und Stade gehören.

Offiziell soll der Inkubator darauf abzielen, den Transfer von Wissen aus der Universität in die regionale Wirtschaft im ehemaligen Regierungsbezirk zu beschleunigen. Damit sollen die Wettbewerbsposition der kleinen und mittleren Unternehmen gestärkt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. "Davon ist im Kreis Stade derzeit wenig zu spüren", sagt Thomas Friedrich, Wirtschaftsförderer der Hansestadt Stade. Das sei aber auch so gewollt.

Bis 2015 werden mit dem Geld, das aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung der Europäischen Union stammt, mehr als 50 Projekte ausschließlich an der Leuphana Universität realisiert. Etwa 200 Forscher sind an den Projekten beteiligt. Laut der NBank, die das Geld zu Verfügung stellt, richtet sich die Förderung ausschließlich an die Leuphana Universität.

Das wiederum ärgert Dirk Kraska, Erster Stadtrat in Stade. "Dann ist die Bezeichnung des Projektes irreführend wenn nicht gar ein Etikettenschwindel", sagt er. Denn offiziell sei das Projekt auf den ehemaligen Regierungsbezirk ausgelegt und nicht auf Lüneburg, argumentiert er. Auch Landrat Michael Roesberg spricht offen von einem Etikettenschwindel. "Es ist sicher von der EU gewollt, dass die Leuphana, der es an Drittmitteln fehlt, so gestärkt werden soll. Doch dann muss das anders verpackt werden. So, wie es derzeit läuft, ist das für uns sehr ärgerlich. Wir erwarten zu Recht, dass wir einen unmittelbaren Nutzen aus dem Projekt ziehen können", sagt der Landrat. Einen unmittelbaren Nutzen für Stade werde es aber wohl nicht geben.

Laut der IHK Stade gibt es zwar rege Kontakte zwischen der IHK und der Leuphana und auch drei Unternehmen aus der Region sind an den Projekten beteiligt. Doch der Innovationsinkubator ziele darauf ab, langfristig für wirtschaftliche Fortschritte zu sorgen, und nicht darauf, kurzfristig Geld abzuwerfen "Es handelt sich nicht um ein Wirtschaftsförderungsprogramm für die Landkreise. Es gibt hier völlig falsche Erwartungen", sagt Friedrich.

Das findet Roesberg nicht. "Ich erwarte, dass Stader Unternehmer gezielt an der Leuphana mitentwickeln", sagt der Landrat. Jedoch sei der Eindruck entstanden, dass die Universität daran überhaupt kein Interesse habe und das Geld lieber für sich behalten wolle.

Die elf betroffenen Landkreise hätten sich daher inzwischen auch an das zuständige Wissenschaftsministerium in Hannover gewandt, um ihren Unmut kund zu tun. "Wir wissen, dass auch das Ministerium über die Entwicklung nicht sehr glücklich ist", sagt Roesberg. Es habe zwar Treffen mit der Leuphana gegeben, dort sei auch eine Besserung der Sachlage versprochen worden. "Es wirkt aber so, als wenn es sich um Lippenbekenntnisse handelt", sagt der Landrat, der darauf hofft, dass sich die Leuphana mehr öffnet, damit das Projekt nicht zum Fiasko wird.

Gerlinde Tennhoff von der IHK findet die Aufregung unangebracht. "Wir arbeiten gut mit der Universität zusammen, wir haben auch bereits drei Firmen, die direkt an den Projekten beteiligt sind", sagt sie. Es dauere halt seine Zeit, bis die Projekte reif seien, damit die ganze Region profitiere.

"Der Nutzen des Inkubators ist sicher nicht völlig transparent vermittelt worden. Das ist sicher ein Problem. An diesem Kommunikationsproblem wird bereits gearbeitet. Wir haben mit der Universität jetzt einen Wettbewerb für Ideen zum Erfolgsfaktor Gesundheit ausgeschrieben", sagt Tennhoff. Der offene Wettbewerb soll helfen, mehr Firmen aus der Region mit der Leuphana zu vernetzen und langfristig ein profitables Forschungsnetz aufzubauen.

Das könne aber, so die allgemeine Überzeugung, bis zu 30 Jahre dauern. So lange wollen die finanziell angeschlagenen Landkreise nicht warten. "Uns nützt es heute nicht, wenn wir irgendwann einen Nutzen aus dem Projekt ziehen", sagt Landrat Roesberg. "Denn unsere strukturellen und finanziellen Probleme sind bereits da."