Die Gabberts aus Adendorf, die heute das Bundesverdienstkreuz erhalten, haben in Ecuador das Schulprojekt Mi Mañana aufgebaut

Lüneburg. Riesige Pfützen stehen auf den unbefestigten Straßen des ecuadorianischen Dorfes Posorja. Im Matsch spielen halbnackte, schmutzige Kinder, sie spielen Fangen zwischen notdürftig aus Brettern oder Platten zusammengenagelten Häusern.

Früher war Posorja ein beliebter Badeort; die Reichen aus der etwa 120 Kilometer entfernten Stadt Guayaqil verbrachten hier gern heiße Tage. Doch seit die Abfälle zweier Fischfabriken das einst klare Meerwasser in eine schwarze Brühe verwandelt haben, ist das Dorf ein verlassener, ein vergessener Ort.

Vielmehr: Er war es. 1997 gründeten die Adendorfer Eheleute Gabbert den Verein "Freundeskreis Mi Mañana". Dank des Vereins gibt es in Posorja mittlerweile eine Schule mit knapp 400 Schülern und ein Freundschaftshaus, das nicht nur als Treffpunkt für 92 Patenkinder und deren Eltern dient, sondern in dem es auch Trinkwasser, einmal monatlich eine kostenlose ärztliche Untersuchung und einen Kindergarten mit 40 Plätzen gibt. Heute werden Anita von Buchwald-Gabbert und Wolfgang Gabbert von Landrat Manfred Nahrstedt für ihr ehrenamtliches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Es war 1995, erinnern sich die 72-jährige Anita von Buchwald-Gabbert und ihr Mann Wolfgang, 80. Bei einer ihrer regelmäßigen Reisen nach Ecuador - er baute in den 60er-Jahren in der Wirtschaftsmetropole Guayaqil die deutsche Humboldt-Schule auf, sie ist gebürtige Ecuadorianerin und arbeitete in der Schule als Englisch-Lehrerin - besuchten sie ein Küstendorf. "Dort gab es einen Schweizer Pfarrer, der ein Kinderheim aufgebaut hatte", sagt Wolfgang Gabbert. "Wir haben den einheimischen Priester gefragt, ob wir nicht auch irgendwie helfen könnten." Der verneinte zwar: Ihm würde genug geholfen. Aber es gebe da einen Kollegen, in einem elenden Dorf, wo es den Leuten ganz dreckig ginge, weil sie manchmal noch nicht einmal genug zu essen hätten. Posorja.

Am nächsten Nachmittag fahren Wolfgang und Anita Gabbert in den Küstenort. "Ich kannte Posorja aus meiner Kindheit, wir waren da häufig am Strand", sagt sie. "Aber in meiner Erinnerung sah das Dorf anders aus." Arm, elend, von Gott verlassen habe die Ansammlung von Hütten nun gewirkt.

Die Gabberts besuchen den Priester. Padre Alberto kann jede Hilfe brauchen und wählt zwölf Kinder aus, die von dem Schulprojekt "Mi Mañana" der Gabberts unterstützt werden. "Wir haben mit ihm die Familien besucht", erzählt Wolfgang Gabbert, "sonst hätten die gar nicht mit uns geredet." Padre, Priester, hätten ihn die Menschen genannt. "Sie glaubten und glauben heute noch, dass Gott uns geschickt hat."

Sechs dieser zwölf ersten Patenkinder seien heute "gut in Arbeit", sagt der Adendorfer stolz. "Eine ist Meeresbiologin, zwei sind Computer-Betriebswirte, zwei sind Lehrerinnen und einer ist Ingenieur", zählt von Buchwald-Gabbert auf. Hätte es die "Mi Mañana"-Schule nicht gegeben, wären sie wahrscheinlich das geworden, was die meisten Einwohner Posorjas sind: die Männer Arbeiter in einer der beiden Fischfabriken, Drogendealer oder Schmuggler, die Frauen Mütter von bis zu 15 Kindern. Ganz nebenbei bietet das Projekt neue Arbeitsplätze: Der Freundeskreis beschäftigt 17 Lehrer, eine Köchin und einen Wächter.

"Mi Mañana hat eine positive Wirkung auf das ganze Dorf", glaubt die ehemalige Englischlehrerin. Denn die 25 Euro Unterstützung für ein bedürftiges Kind gebe es nicht geschenkt. "Wir geben nur Hilfe zur Selbsthilfe." Die Eltern würden einbezogen: "Sie müssen dafür sorgen, dass das Kind täglich pünktlich, sauber, in ordentlicher Schuluniform und mit allen nötigen Büchern in der Schule erscheint." Außerdem müssen die Eltern alle sechs Wochen zum Arbeitstag in der Schule erscheinen, wo sie zum Beispiel putzen oder kleinere Reparaturen erledigen müssen. Einmal im Monat steht zudem ein großes, gemeinsames Essen für alle Patenkinder an - auch hier ist die Mitarbeit der Eltern gefragt. Während anfangs nur die Mütter in die Schule gekommen seien, tauchten inzwischen auch immer mehr Väter auf, freuen sich die Gabberts. Und: "Viele Familien merken, wie gut die Kinder betreut werden, und schicken dann auch Geschwisterkinder in die Schule."

Auch was die Verwaltung angeht, seien in Posorja riesige Schritte gemacht worden. "Seit vergangenem Jahr organisieren sich die Schul- und Kindergartenleitung selbst", so Anita von Buchwald-Gabbert. Wichtige Entscheidungen werden aber nach wie vor mit ihr abgesprochen, außerdem erhält sie jeden Monat per Fax einen Bericht zur Lage und zur Entwicklung jedes einzelnen der 92 Patenkinder.

Einmal im Jahr reist die 72-Jährige nach Posorja, um sich selbst von den Fortschritten der Kinder zu überzeugen und wichtige Unterlagen und Gelder direkt vor Ort abzugeben. Die Reise bezahlt sie selbst. "Wir machen alles ehrenamtlich und haben deswegen nur 3,8 Prozent Ausgaben", erklärt Gabbert, "die restlichen 96,2 Prozent gehen direkt an die Kinder."

Finanziert wurden der Bau des Freundschaftshauses und die Renovierung des Schulgebäudes anfangs vor allem mit Hilfe des Aachener Kindermissionswerks. Hilfe kommt auch von Kirchen, Klostern, Eine-Welt-Läden und dem Gymnasium Soltau, das jedes Jahr ein Benefiz-Konzert veranstaltet.

Wer einem Kind den Schulbesuch und so eine Chance auf ein besseres Leben ermöglichen möchte, kann die Internetseite des Vereins "Mi Mañana" besuchen. Hier gibt es nicht nur den Klick zur Patenschaft oder Projektspende, sondern auch weitere Informationen und Fotos aus Posorja.

www.mi-manana.de