Lüneburg will nach Kommissionsempfehlung 118.000 Euro mehr an Ehrenamtliche und Fraktionen zahlen. Kritik kommt von der Opposition.

Lüneburg. Der Kreistag hat es bereits beschlossen, am Donnerstag kommt die Debatte in den Rat der Stadt: Die Mitglieder der politischen Gremien wollen die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Mitarbeit in Rat und Ausschüssen erhöhen. Damit kommen zusätzliche Kosten in Höhe von 90.000 Euro plus fast 28.000 Euro für die Fraktionen auf den Etat der Hansestadt zu.

Hintergrund ist das neue Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz, das seit Beginn der neuen Wahlperiode in Kraft ist. Seither können die Räte weitgehend frei über die Entschädigungen entscheiden. Eine Kommission aus Vertretern aus Politik und Verwaltung, von Deutschem Gewerkschaftsbund, Bund der Steuerzahler und Handwerkskammer hat jedoch Empfehlungen zur Höhe der Entschädigungen abgegeben.

Für Gemeinden empfiehlt die Kommission bei einer Einwohnerzahl zwischen 30.000 und 150.000 einen Höchstbetrag von 320 Euro pro Monat plus Kinderbetreuungs- und Fahrtkosten. Der Rat der Stadt will seinen Mitgliedern künftig 200 Euro monatlich plus 20 Euro pro Sitzung und 28 Euro Fahrtkostenpauschale zahlen, vorher waren es 166 Euro, 20 Euro pro Sitzung und 20 Euro Fahrtkosten. Ortsbürgermeister und -vorsteher sollen künftig 300 Euro monatlich erhalten, vorher waren es 151 respektive 169 Euro. Zudem werden Auslagen für Kinderbetreuung nach wie vor übernommen.

Bürgermeister bekommen fortan 500 Euro statt 291 Euro, Fraktionsvorsitzende je nach Fraktionsgröße 200 (bis fünf), 300 (bis zehn) oder 500 (bis 15 Mitglieder) Euro. Vorher waren es 102 Euro plus acht Euro je Mitglied. Die Fraktionen sollen ebenfalls weit höhere Zuschüsse erhalten: zwischen 200 und 600 Euro je nach Größe.

Damit steigen die Entschädigungen für Mitglieder der Gremien sowie andere ehrenamtliche Ausschussmitglieder, Feuerwehrleute und Plattdeutschbeauftragte um rund 90.000 Euro auf 270.000 Euro, die Zuschüsse für die Fraktionen erhöhen sich von insgesamt 8800 auf 36.480 Euro.

Der neue Ratsherr Michèl Pauly (Linke) spricht von "Selbstbedienungsmentalität". Eine bessere Ausstattung der Fraktionen sei zwar richtig, die Erhöhung um mehr als 300 Prozent aber "dreist". Die Erhöhung bei Ortsvorstehern und Bürgermeistern findet Pauly richtig. Aber ein Punkt stört ihn: Bekamen Ratsleute bisher nur einen Bonus entweder für Fraktionsvorsitz oder Bürgermeisteramt, erhalten sie fortan beides. Das sei eine "Lex Meihsies" - der Grüne ist beides in Personalunion - und werde von der Kommission "aus guten Gründen abgelehnt", so Pauly.

Andreas Meihsies konterte gegenüber dem Abendblatt: "Was Pauly nicht sagt: Bei Doppelung werden 20 Prozent abgezogen." Das macht in seinem Fall 800 Euro für Bürgermeisteramt und Fraktionsvorsitz. "Wir führen 30 Prozent an die Partei ab und melden das Einkommen dem Finanzamt", sagt Meihsies. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten würden die Fraktionen finanziell vernünftig ausgestattet, "damit wir endlich auf Augenhöhe mit der Verwaltung diskutieren können. Ich habe ein reines Gewissen."

Die Verwaltung begründet die Regelung mit dem Ziel, "das Ehrenamt zu stärken und der Übernahme von zwei ehrenamtlichen Funktionen gerecht zu werden und diese zu fördern". Bernhard Zentgraf, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler für Niedersachsen und Bremen und Mitglied der Entschädigungskommission, sagte dem Abendblatt allerdings: "Sollte es im Einzelfall zu einer Anhäufung von Entschädigungen aus verschiedenen Funktionen in einer Kommune kommen, so wundert mich das. Die Kommission hat ausdrücklich empfohlen, von einer solchen Kumulierung abzusehen. Es handelt sich allerdings nur um Empfehlungen. Die Gemeindevertretungen entscheiden und verantworten letztlich selbst, wie sie mit dieser Frage umgehen."

Kräftige Erhöhungen bei den Entschädigungen wären derzeit sicher das falsche Signal, so Zentgraf. Mit jeder Erhöhung leide beim Bürger die Akzeptanz von immer neuen Sparprogrammen und Hinweisen auf die prekäre Kassenlage durch die Kommunen. "Alle Funktionen in den Stadt-, Kreis- und Gemeinderäten sind Ehrenämter. Es soll nicht tatsächlich geleistete Arbeit, sondern der Aufwand des Amtsinhabers entschädigt werden."

Der SPD-Fraktionsvorsitzende und Ortsvorsteher am Ebensberg, Heiko Dörbaum, verteidigt die Pläne: "Ich halte die beiden Erhöhungen insgesamt für angemessen. Wir lagen bisher am Ende der Skala in Niedersachsen, jetzt liegen wir in der Mitte." Er selbst investiere 40 bis 60 Stunden pro Woche, "gern und engagiert". Dörbaum erinnert außerdem daran, dass Paulys Vorgänger Malte Riechey 2006 beantragt hatte, Fraktionsmitarbeiter von der Hansestadt bezahlen zu lassen.

Die Verwaltung könne die Berechnung Paulys "auch mit Mühe nicht nachvollziehen", sagt Stadtsprecherin Suzanne Moenck. "Die Hansestadt Lüneburg bleibt mit den vorgeschlagenen Entschädigungen unterhalb den Empfehlungen der niedersächsischen Entschädigungskommission." Bei den Fraktionen habe die Stadt die Sätze 1992 gesenkt und seither nicht wieder erhöht. Die Städte Hildesheim und Braunschweig erstatten laut Moenck dagegen allein für Personalkosten für die Fraktionen Summen im sechsstelligen Bereich.

Auch der Kreistag zahlt fortan mehr. Die Pauschale beträgt 190 statt 170 Euro, das Sitzungsgeld 35 Euro. Die Vorsitzenden von Fraktionen unter zehn Mitgliedern bekommen 275 Euro (vorher 200 Euro), darüber 475 statt bisher 330 Euro. Der Vorsitzende des Kreistags erhält 100 Euro monatlich, die drei stellvertretenden Landräte 250 Euro. Eine Doppelung von Ansprüchen schließt der Kreis jedoch aus.