Hochwertige Holzstiegen werden heimlich durch billige ersetzt. Unternehmer klagen über aufwendige Kontrolle

Seevetal/Lüneburg/Uelzen. Die 120 Zentimeter lange, 80 Zentimeter breite und 14,4 Zentimeter hohe Europalette dient in einigen Studenten-WGs als Ersatz fürs Lattenrost und bereitet den vorwiegend jungen Nutzern auf die Dauer Rückenschmerzen. Kopfschmerzen bereitet sie dagegen einigen Speditionen in der Region. Die flachen Holzuntersetzer, auf denen Güter befördert werden, entwickeln sich zu einem Ärgernis für die Unternehmen der Logistikbranche.

"Ja, die Paletten machen uns Sorgen", erklärt Hubertus Kobernuß, Inhaber eines Speditionsunternehmens mit 130 Mitarbeitern in Uelzen. "Die Lkw-Fahrer liefern einwandfreie Paletten an die Händler aus, und die geben uns zweitklassige zurück." Dadurch unterscheidet sich das vor 50 Jahren erstmals vereinbarte System der Europalette erheblich vom Pfandsystem für Getränkeflaschen und -kisten, bei denen sich die Herstellung von minderwertigen Fälschungen nicht lohnt.

"Außerdem wird viel gestohlen", so Spediteur Kobernuß weiter. "Wir müssen dann bei Palettenhändlern Ersatz kaufen." Sieben bis acht Euro kostet eine neue Holzstiege, drei bis vier Euro zahlt der Gebrauchthändler im Ankauf dafür. Da lohnt es sich schon, das eine oder andere gute Stück mitgehen zu lassen. Im Zweifel wird aus einer Palette immer noch gutes Heizmaterial für den eigenen Kamin.

"Holz ist ein wichtiger Rohstoff, die Preise steigen", sagt Katrin Rumpelt. Die Spitze des Eisberges wurde im Frühjahr sichtbar, als ein Mann im Rheinland überführt wurde: Er hatte über zwei Jahre hinweg serienmäßig Hunderte von Paletten gestohlen, einen Schaden von mehreren Millionen Euro bei seiner Firma angerichtet und den Schwarzmarkt mit Holzpaletten beliefert.

In der Region Lüneburg, sagt Polizeisprecher Kai Richter, sind solche Diebstähle bisher zwar nur Einzelfälle. Doch nicht immer werde der Diebstahl von Europaletten angezeigt. In jedem Fall, meint Richter, existiert das Problem. "Manchmal sind vielleicht Banden aktiv, aber Paletten sind auch für Gelegenheitsdiebe interessant. Für das Holz wird eine Menge Geld bezahlt", sagt der Polizeisprecher.

Als Eigentümer der Paletten sind die Spediteure selbst für den reibungslosen Tausch der hölzernen Untersetzer verantwortlich. Jede Lieferung auf sogenannten Europolpaletten, die den Empfänger erreicht, soll durch genauso viele leere Paletten ausgeglichen werden. Doch in der Praxis macht der Tausch im Verhältnis eins zu eins große Probleme. Oft sind beim Empfänger der Ware nicht genügend Paletten vorhanden oder die vorhandenen Holzuntersetzer sind minderwertig.

In beiden Fällen muss das betroffene Fuhrunternehmen auf eigene Kosten nachrüsten und seine Bestände wieder auffüllen. Nachschub an gebrauchten Paletten gibt es beim Palettenhändler. Leider lässt sich aber nicht überprüfen, ob es sich bei gebrauchten Holzpaletten um reguläre Ware oder Diebesgut handelt. Oft genug kaufen Spediteure die eigenen gestohlenen Paletten, ohne es zu wissen, zurück.

"Wir distanzieren uns von solchen dubiosen Händlern", sagt Horst Mönke. Er hat vor knapp vier Jahrzehnten den Paletten-Service Hamburg gegründet. Inzwischen stammt etwa jede zehnte Palette in Deutschland von der Aktiengesellchaft im Harburger Binnenhafen. Mönke engagierte sich als Mitglied im Vorstand der European Pallet Association auch international für die Qualitätssicherung bei den Paletten mit dem EUR-Siegel.

Ob verschärfte Kontrollen oder ausgeklügelte Sicherheitssysteme zukünftig helfen könnten? Bei den Speditionen hat man Zweifel: Die Paletten sind einfach zuviel unterwegs. "Unsere Fahrer können vor Ort beim Kunden nicht immer alle Paletten sortieren und sichten, um minderwertige Ware auszuschließen - die Zeit haben die Fahrer nicht, das würde für die Speditionen viel zu teuer werden", sagt Wolfgang Hiller, Inhaber der gleichnamigen Spedition in Lüneburg.

Mit viel Einsatz müssen die nötigen Kontrollen dann auf dem Hof der Spedition oder im Lager stattfinden. Die Kennzeichnung, Kontrolle und der Austausch der Europaletten sollte zumindest in der gesamten EU einheitlich erfolgen und realisierbar sein, meint Katrin Rumpelt vom Sprinter-Transport-Service (STS) in Seevetal. "Wir liefern ja nicht nur in Deutschland Ware aus", sagt sie. "Der Aufwand, den wir jetzt treiben, um die Bestände zu kontrollieren, ist groß."

10 000 bis 25 000 Euro Schaden im Monat können bei einer mittelgroßen Spedition durch die Probleme mit Europaletten entstehen, vermutet der Deutsche Spedition- und Logistikverband (DSLV), der Interessenverband der Branche mit Sitz in Belin.

"Zwei bis drei Prozent vom Betriebsgewinn gehen jährlich allein für die Schäden durch Unterschlagung und Diebstahl weg", schätzt Hubertus Kobernuß für seine Uelzener Firma. Ein Schaden, der schließlich durch den Neukauf von Europaletten bereinigt werden muss.