Lüneburger Eltern und Lehrer fordern für die Betreuung an offenen Ganztagsgrundschulen mehr Geld und neue Konzepte.

Lüneburg. Schach, Chor, Fußball, Basteln - das Nachmittagsangebot der Grundschule im Roten Feld ist vielseitig und spannend. Trotzdem gehen Max und Elisabeth von Stern, Schüler der ersten und vierten Klasse, mittags nach Hause. "Meine Kinder finden die Angebote klasse und ich auch", sagt ihre Mutter Susanne von Stern, Vorsitzende des Schulelternrats und Mitglied des Schulausschusses im Lüneburger Rat.

"Was aber nicht gut ist, ist die Hausaufgabenbetreuung. Wenn die Kinder um vier nach Hause kommen, müssen sich viele von ihnen nochmal an die Hausaufgaben setzen." Das sei frustrierend und belastend für Schüler und Eltern. "Das Konzept der Hausaufgaben und damit auch der offenen Ganztagsschule muss völlig neu durchdacht werden", fordert von Stern.

Eine Dreiviertelstunde haben die Rote-Feld-Schüler Zeit, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Betreut werden sie dabei von einem Lehrer pro Jahrgangsstufe, maximal zwanzig Kinder. Helfen kann der bei den Aufgaben nur sehr bedingt. "Das ist kein Förderunterricht und auch keine Nachhilfe, aber das sagen wir den Eltern auch ganz klar im voraus", sagt Renate Thielbörger, Rektorin der Schule im Roten Feld. "Natürlich hätte ich auch gern mehr Fachkräfte oder auch nur mehr ehrenamtliche Helfer. Aber woher nehmen?"

Es hakt, wie so oft, am Geld. Von der Stadt bekommt die Schule im Roten Feld jährlich 40.000 Euro für die Ganztagsarbeit, das Land Niedersachsen steuert zehn sogenannte "kapitalisierte Lehrerstunden" pro Woche bei. Solch eine Lehrerstunde ist 1760 Euro wert; die Schule kann nun, je nach Bedarf, sich die Stunden auszahlen lassen (maximal also 17 600 Euro) oder tatsächlich eine Lehrkraft in Anspruch nehmen. Möglich ist auch, den Betrag aufzuteilen, beispielsweise also einen Lehrer vier Stunden pro Woche unterrichten zu lassen und die übrigen sechs Stunden (10 560 Euro) in Freizeitangebote zu investieren.

Viel ist das nicht, und es ist noch nicht einmal sicher, ob das Land Niedersachsen auch künftig die Schulen beim Umbau zur Ganztagsschule unterstützen wird. "Wenn Schulen derzeit bei uns einen Antrag zur Einrichtung einer Ganztagsschule stellen, müssen sie formell auf jegliche Zuschüsse verzichten", sagt Corinna Fischer, Sprecherin des niedersächsischen Kultusministeriums. "Uns ist es bisher aber immer gelungen, die Schulen letztendlich doch zu unterstützen, sei es durch Geld oder durch Lehrerstunden. Wie hoch diese Unterstützung ausfällt, hängt vom jeweiligen Etat ab." Dass die Grundschulen aber ohne ausreichende finanzielle Mittel keine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung anbieten können, sieht Fischer nicht als Problem. "Es steht den Schulen ja frei, überhaupt eine Hausaufgabenbetreuung anzubieten, es zwingt sie ja keiner."

Überhaupt keine Betreuung? Das kann in einer Ganztagsschule nur funktionieren, wenn es schlichtweg keine Hausaufgaben gibt. Das sei aber bei der derzeitigen Unterrichtsstruktur nicht möglich, sagt die Vorsitzende des Netzwerks Lüneburger Grundschulrektoren und Leiterin der Heiligen-Geist-Grundschule, Barbara Geck. "Grundsätzlich ist Ganztagsschule eine tolle Sache. Aber nur, wenn es ein gutes pädagogisches Konzept und auch die räumlichen Voraussetzungen gibt. Für beides fehlen aber häufig die finanziellen Mittel."

Zumindest letzteres ist für die St.-Ursula-Schule kein Problem: Sie zieht kommendes Schuljahr in das neu gebaute Kulturzentrum Saline. Vom zweiten Halbjahr an soll es auch hier ein Ganztagsangebot geben. Am kommenden Mittwoch soll der Schulausschuss der Stadt das Konzept absegnen.

Bei dessen Erstellung hat sich Schulleiter Patrick Schnüttgen vom Monika Carpentiero, Leiterin des St.-Marien-Horts, beraten lassen. "Wir arbeiten eng mit dem Hort zusammen und profitieren natürlich von deren Erfahrungen", sagt er. Denn im Hort sehe die Hausaufgabenbetreuung tatsächlich ganz anders aus, sagt Carpentiero. "Bei uns haben die Kinder bis zu zwei Stunden Zeit, um ihre Hausaufgaben zu erledigen. Drei Erzieher - also Fachkräfte - betreuen jeweils zwanzig Kinder." Normalerweise würden alle Aufgaben im Hort fertiggestellt, nur vor einer Klassenarbeit oder wenn es um Referate oder ähnliches gehe, könne es sein, dass die Kinder zu Hause noch lernen müssten. "Wenn weniger Zeit oder Fachpersonal zur Verfügung steht, kann nicht die gleiche Menge an Hausarbeiten bearbeitet werden", so Carpentiero.

Die logische Konsequenz für Schulleiter Schnüttgen: "Wir müssen die Hausaufgaben komplett neu überdenken. Denkbar wäre eine Reduktion auf Übungsschwerpunkte, die die Kinder garantiert allein und in der zur Verfügung stehenden Zeit erledigt werden können." Wie eine solch tief greifende strukturelle Änderung funktionieren kann, weiß er aber auch noch nicht. Eines ist für ihn aber völlig klar: Es dürfe nicht sein, dass die Kinder, wenn sie um halb fünf aus der Schule kommen, noch Hausaufgaben machen müssten.

Sollte die Politik an ihrem Kurs festhalten, dass alle Grundschulen in Ganztagsschulen umgewandelt werden sollen, dann müsse deutlich mehr Geld in die Hand genommen und völlig neue Konzepte erarbeitet werden, fordert auch Schnüttgen. "So ist das keine Dauerlösung. Wir werden es zwar hinkriegen und auch etwas daraus machen. Aber gut ist das nicht."

Genau das müsse es aber sein, meint Susanne von Stern: gut. Das könne es aber nur werden, wenn aus der Mogelpackung eine echte Ganztagsschule werde. (abendblatt.de)