Im Projekt Canto Elementar lernen Kinder in Lüneburger Kitas von Senioren deutsche Volkslieder. Das Projket soll die Generationen verbinden.

Lüneburg. Larissa will unbedingt ein Schwan sein. Doch es haben sich bereits fünf Kinder in der Mitte des Stuhlkreises eingefunden und schlagen mit imaginären Flügeln. "Du darfst bei der nächsten Strophe", sagt Erzieherin Elisabeth Kreft. "Zogen einst fünf wilde Schwäne" singen zehn Seniorinnen, die Kinder und ihre Erzieherin. Die fünf Jungen und Mädchen in der Mitte mimen währenddessen die Schwäne.

Seit zwei Jahren gibt es das Projekt Canto Elementar in vier Lüneburger Kitas. Zehn Singpaten singen mit etwa 25 Kindern einmal wöchentlich eine Dreiviertelstunde deutsche Volkslieder. Das gemeinsame Singen soll Jung und Alt verbinden und die Volkslieder bewahren. Käme das Lied mit den Schwänen dran, würde kein Kind herumalbern, sagt Singpatin Elke Fitzner. "Getragene Lieder wie dieses berühren die Kinder besonders."

In der Kita Heidkamp gibt es den Canto Elementar am längsten in Lüneburg. Im Februar würde das auf zwei Jahre ausgelegte Projekt eigentlich enden, die zehn ehrenamtlichen Singpaten werden jedoch in Zusammenarbeit mit der Kita weitermachen. "Ich rekrutiere meine Singpaten überall", sagt die Projektkoordinatorin Brigitte Killmer. Im Theater oder beim Arzt im Wartezimmer kommt sie mit Menschen ins Gespräch. "Wenn ich das Gefühl habe, es könnte ei jemandem passen, frage ich, ob diejenigen Lust haben, beim Canto Elementar mitzumachen", sagt sie. Name und Adresse kämen dann auf eine Nachrückerliste. Wenn eine Kita Interesse anmeldet, ruft sie die Menschen auf der Liste an.

"Die meisten von uns kannten nur die erste Strophe der Lieder", gibt Singpatin Elke Fitzner zu. Das Ziel der Singpaten ist es, die Lieder auswendig singen zu können. So hätten sie die Lieder immer parat. Die Singpaten glauben, dass auch Kinder, die nicht mitsingen den Text lernen. "Ich saß einmal neben einem Jungen, der nie mitgesungen hat. Ich habe ein Wort falsch gesungen und er hat mich sofort berichtigt", sagt die Singpatin Heide Faber.

Eine Viertelstunde vor dem gemeinsamen Singen treffen sich die Singpaten. Abwechselnd übernehmen sie die Moderation des Singens. Die Moderatorin stellt einige Lieder zusammen. "Die Kinder mögen es kontrastreich. Dur und Moll müssen sich abwechseln", sagt Elke Fitzner, die an diesem Morgen das Singen moderiert. Das Begrüßungs- und das Schlusslied sind jedoch immer gleich. Zu vielen Liedern haben sich die Singpaten außerdem Bewegungen ausgedacht. Beim Kanon "Hejo, spann den Wagen an" werden die Hände zunächst wie ein Trichter um den Mund geformt um den Ruf "Hejo" zu symbolisieren. Beim Wagen anspannen haben die kleinen und großen Sänger unsichtbare Zügel in der Hand. So sitzt der Text schneller. "Die Kinder lernen mit allen Sinnen", sagt Elke Fitzner.

Besonders beliebt in allen Kitas ist das Lied "Es führt über den Main". "Das ist eigentlich ein Totenlied. Die Kinder nehmen den Tanz über die Brücke jedoch ganz anders wahr", sagt Koordinatorin Brigitte Killmer, "auch wenn sie den Text jetzt noch nicht verstehen. Später wird er präsent sein und sie werden darüber nachdenken." Bei manchen Liedern entscheiden sich die Singpaten jedoch einige Strophen wegzulassen. "Das machen wir, wenn Tod oder Bedrohung zu stark thematisiert werden", sagt Singpatin Heide Faber.

38 Lieder zählen zum Repertoire des Canto Elementar. Die hat die Stiftung Il Canto del Mondo in einem Liederbuch zusammengefasst, dass den bundesweit 1500 teilnehmenden Singpaten zur Verfügung gestellt wird. Im Anhang wird die Bedeutung der Lieder kurz erklärt.

Die Musikpädagogin und Sängerin Sylvia Lawaty hat das Projekt nach Lüneburg geholt. "Beim Singen entwickeln Kinder ein Geborgenheitsgefühl, dass auch später abrufbar ist. Ich wollte immer mit den Kindern singen, habe aber festgestellt, dass sie gehemmter sind, wenn das Umfeld nicht auch singt", erklärt die 58-Jährige. Im Radio hat sie vom Projekt Canto Elementar erfahren. Jetzt gibt sie für die Paten achtstündige Schulungen vor dem ersten Einsatz mit den Kindern. Bewusst habe man sich für ältere Singpaten entschieden.

"Sie sind in einer Zeit aufgewachsen, in der das Singen selbstverständlich war und zur Alltagskultur dazugehörte", sagt Lawaty. Sie bringt den Paten bei, was sie im Umgang mit den Kindern dürfen und spricht ihnen Mut zu. "Damit sie sich überhaupt trauen, öffentlich zu singen", sagt Sylvia Lawaty. Die älteste Singpatin in der Kita Heidkamp ist 83 Jahre alt. Erika Iskraut hat bereits im Schulchor gesungen und kennt viele Volkslieder über die erste Strophe hinaus.

Brigitte Killmer möchte das Projekt Cantor Elementar auf weitere Lüneburger Kitas ausweiten. Darum sucht sie jetzt Sponsoren, die das Projekt finanziell unterstützen. "Das Geld wird für Notenmaterial, für Instrumente und CDs sowie für die Ausbildung der Singpaten, der Erzieherinnen und der Trainer gebraucht", sagt sie. Wer das Projekt unterstützen will, erreicht Brigitte Killmer unter der Telefonnummer 04131/776 65 17.

www.il-canto-del-momdo.de