Eine neue Internetseite mit Hilfsangeboten geht an den Start. Frauen im Kreis suchen Sponsoren für Videofilme über häusliche Gewalt.

Lüneburg. Es fängt damit an, dass er über ihre Freundinnen lästert. Vielleicht motzt er auch über ihre Familie. Oder ist sauer, dass sie die Handtücher nicht ordentlich genug im Schrank stapelt. Als Strafe nimmt er ihr vielleicht die EC-Karte des gemeinsamen Kontos weg. Die Gewalt gegen Frauen fängt viel früher an als mit dem ersten Schlag. Darüber wollen Lüneburgerinnen jetzt mit einer neuen Internetseite aufklären.

"Häusliche Gewalt beginnt nicht mit dem blauen Auge", sagt Hanna Schütz. "Das läuft subtiler: mit Eifersucht, schlechter Laune und Isolierung, mit psychischer, finanzieller und sozialer Gewalt." Die Traumatherapeutin leitet die Beratungs- und Interventionsstelle (BISS) gegen Gewalt in Lüneburg. Und sie ist Mitglied des Runden Tisches gegen Gewalt in der Familie, eine Arbeitsgruppe des Kriminalpräventionsrats, die seit zehn Jahren existiert.

Auch Christine Ullmann und Eleonore Tatge arbeiten mit am Runden Tisch, die Gleichstellungsbeauftragte von Stadt und Landkreis und die Beauftragte für Kriminalprävention bei der Polizei Lüneburg. "Die Frau versucht, den Dingen aus dem Weg zu gehen und den Mann zufrieden zu stellen", sagt die Kriminalhauptkommissarin. Versucht, Stress zu vermeiden. Und merkt nicht, dass sie sich sozial isoliert. Weil sie sich weniger mit den Freundinnen trifft, die Familie kaum noch einlädt.

Und später, wenn es zu den ersten Schlägen kommt, kommt die Scham. Das Schuldgefühl. Der Gedanke, hätte ich ihn nicht so provoziert, hätte er es sicher nicht getan. "Es gibt Vermutungen", sagt Hanna Schütz, "dass der Körper bei Misshandlungen nicht nur Stresshormone ausschüttet, sondern auch Oxitozin, das sogenannte Bindungshormon." Was dazu führt, dass die Geschlagene nicht flieht aus der Beziehung, sondern bleibt. Erst, wenn die Kinder bedroht sind, gehen die meisten Frauen, sagt Christine Ullmann. "Vorher nehmen sie viele Jahre alles auf sich." Oft auch, weil sie finanziellabhängig sind vom Mann, Angst haben vor einem Leben mit Hartz IV.

Doch je eher eine Frau die beginnende Gewaltspirale erkennt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich lösen kann. Eventuell sogar gemeinsam mit dem Mann einen Weg hinaus findet. Denn Gewalt in der Familie hört nicht bei den Eltern auf. "Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Jungen aus betroffenen Familien ein hohes Potenzial haben, ebenfalls zu prügelnden Ehemännern zu werden, und Mädchen ebenfalls zum Opfer", sagt Christine Ullmann.

Wo Frauen, aber auch Kinder und Jugendliche Hilfe bekommen, können sie ab sofort auch im Internet erfahren. Anlässlich des diesjährigen "Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen und Mädchen" morgen am 25. November geht die Seite des Lüneburger Runden Tisches offiziell online.

Gerade auch Kinder und Jugendliche hoffen die Frauen, per Homepage eher zu erreichen als per Faltblatt. "Hilfe" auf neun Sprachen steht auf der Eingangsseite, und auf Deutsch finden sich sämtliche Hilfsangebote in der Region. Hauptanlaufstellen bei Gewalt zu Hause sind die Polizei (110), das Frauenhaus (04131/617 33) und die BISS-Beratung (04131/24 71 89).

Nächstes Ziel des Runden Tisches ist es, kurze Videofilme zu drehen, die bestimmte Situationen häuslicher Gewalt zeigen - allerdings mit dem bewussten Verzicht auf tätliche Gewalt. "Solche Sequenzen gibt es bislang nicht, bei keinem Informations- und Beratungsangebot", sagt Christine Ullmann. "Wir wollen zeigen, wo häusliche Gewalt anfängt, was die Polizei macht, wenn sie kommt, und wie eine Beratung bei BISS abläuft." Prügelszenen zu zeigen, bediene lediglich Klischees, sind sich die Frauen einig. Sie aber wollen die Anfänge häuslicher Gewalt zeigen. Wenn er über ihre Freundinnen lästert, über die Familie motzt oder meckert, dass die Handtücher nicht ordentlich gefaltet sind.

Zurzeit entwickeln die drei Frauen Drehbücher für ihre geplanten Kurzfilme, gedreht werden sollen sie in Zusammenarbeit mit dem Schauspielkollektiv, das Präventionstheater an Schulen in der Region macht. Doch die Finanzierung der Videos - Kosten von rund 25 000 Euro werden geschätzt - steht noch nicht, die Mitglieder des Runden Tisches suchen daher nach Sponsoren. Die ersten 570 Euro haben sie bei einem Benefizkonzert der Band "Nichtöffentliche Verhandlung" gesammelt, erste Förderanträge laufen.

"Wir sind überzeugt von unserer Idee und wollen sie nicht wegen fehlender Finanzen verwerfen", sagt Christine Ullmann. "Denn Videos wie diese gibt es einfach noch nicht." Wer das Projekt unterstützen möchte oder andere Informationen sucht, kann sich an Christine Ullmann wenden unter 04131/26 15 96.

www.gegen-gewalt-in-der-familie.de