Bei den Nähworkshops der Initiative Hexenstich im offenen Atelier der Leuphana Universität lernen die Teilnehmer voneinander.

Lüneburg. "Viele Leute haben den Bezug zu ihren Sachen verloren, darum bekommen sie wieder Lust, etwas selbst zu machen", sagt Beate Hankemeier. Die 29-Jährige ist eine der Organisatoren der studentischen Initiative Hexenstich. Jeden dritten Donnerstag im Monat empfangen sie und ihre Mitstreiter alle, die Nähen lernen oder es anderen beibringen wollen, im offenen Atelier der Leuphana Universität.

Zehn Teilnehmer sind an diesem Abend dabei. Einige Maschinen rattern. Oft sitzt einer an der Nähmaschine und sein Nebenmann erklärt die nächsten Schritte. "Wir versuchen, uns gegenseitig das Nähen beizubringen", sagt Beate Hankemeier. Darum seien nicht nur Nähanfänger, sondern auch erfahrene Näher, die ihr Wissen weitergeben wollten, eingeladen.

Das Fachwissen bringt Susanne Kebbel mit. Die Herrenmaßschneiderin und Modedesignerin unterrichtet das Nähen eigentlich an der Volkshochschule (VHS). Dort wurde die 42-Jährige im Frühjahr für die Workshops angefragt, damals noch vom Jugendumweltnetzwerk Janun. Das hatte die Nähworkshops als Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft entwickelt. Das Projekt ist inzwischen ausgelaufen, die Organisatoren haben daraus die studentische Initiative gemacht.

Männer und Frauen kämen mit unterschiedlichen Vorstellungen zu den Nähworkshops, sagt Susanne Kebbel. "Männer wollen konkrete Probleme lösen, wie Löcher in Hosen oder T-Shirts. Frauen wollen aus alten Klamotten etwas Neues machen", sagt sie. Auf Max Timm trifft diese Einschätzung zu. Hergekommen ist der 24-Jährige mit seiner kaputten Lieblingsjeans. "Die war ganz aufgeschabt", sagt er. Jetzt ist er bereits zum vierten Mal dabei und hat große Pläne. "Ich will mein Sofa und die Kissen neu beziehen und Vorhänge und Lampenschirme aus Stoff nähen."

Manchmal kann Schneiderin Susanne Kebbel die hohen Erwartungen der Teilnehmer nicht erfüllen. "In drei Stunden schnell ein ganzes Zelt oder einen Sofabezug zu nähen, geht einfach nicht", sagt sie. In solchen Fällen fertigt sie mit den ungeduldigen Teilnehmern Schnittmuster an, damit sie zu Hause weiterarbeiten können.

Hohe Erwartungen hat Janna Hadler nicht. Sie ist erst zum zweiten Mal dabei. Beim ersten Mal hat sie ihre Tasche geflickt. Die war quer durchgerissen. "Das ist vielleicht nicht sehr schön geworden, aber es hält", sagt die 23-Jährige. Das neue Projekt der Studentin ist ein Kissenbezug. Die 69-jährige Marlies Kachsock hilft ihr dabei. "Ich war Hausfrau und habe mir über die Jahre ziemlich gute Handarbeitskenntnisse angeeignet", sagt sie. Diese Kenntnisse gibt sie jetzt weiter.

Einen regelrechten Handarbeitstrend beobachtet Ines Utecht von der VHS. Elf Kurse waren dort im vergangenen Semester geplant. Weil der Zulauf so groß war, mussten drei zusätzliche angeboten werden. "Die Leute haben Lust, etwas Individuelles herzustellen, was man nicht kaufen kann", glaubt sie.

Das Material für Hexenstich wird größtenteils gespendet. Das Motto ist schließlich "Aus Alt mach Neu".

"Wir wollen auch ein Bewusstsein schaffen. Früher hätte man Löcher in den Socken geflickt, heute wirft man sie weg. Diese Entwicklung finden wir nicht gut", sagt Beate Hankemeier. Alte Kleidungsstücke, Stoffreste oder Wolle werden dankend angenommen. Auch von den Teilnehmern werden Spenden erbeten. Ob sie Geld, Essen oder neues Material mitbringen, ist ihnen überlassen. Obwohl die Initiative auf Geldspenden angewiesen ist. "Garn oder Nähnadeln bekommen wir nicht gebraucht, das müssen wir kaufen", sagt Beate Hankemeier. Und auch die Wartung der Nähmaschinen koste Geld. Drei Maschinen stellt die Schneiderin Susanne Kebbel zur Verfügung, zwei Fußpedalmaschinen und zwei elektrische stellt die Initiative.

Eine von Susanne Kebbels Maschinen ist besonders gefragt. Sie ist programmierbar und stickt dann selbstständig Muster, Bilder oder Schriftzüge. "Das ist bei Männern besonders beliebt. Die lassen sich überall hin Ameisen sticken", sagt die Schneiderin.

Das nächste Mal trifft sich die Initiative Hexenstich am Donnerstag, 15. Dezember, um 18 Uhr im offenen Atelier, Raumnummer 01/02, der Leuphana Universität, Rotenbleicher Weg 67. Dann bringt Marlies Kachsock den Teilnehmern das Stricken bei.