Bardowick war schon sehr früh dicht bebaut und damals eine sehr große Stadt. Funde im Altdorf weisen auf eine bedeutende Siedlung hin.

Bardowick. Das Bild der frühen Bardowicker Geschichte wird nach den jüngsten archäologischen Ausgrabungen klarer. "Vor 1000 Jahren war Bardowick eine bedeutende Stadt mit florierendem Handwerk und Handel", sagt Bezirksarchäologe Jan Joost Assendorp. Die Stadt hatte Ausmaße wie das frühere Bremen und war viel größer als damals Hamburg. "Eindeutiger denn je ist jetzt, dass Bardowick der Vorläufer von Lüneburg war und die größte Stadt weit und breit."

Dass der Domflecken im 9. und 10. Jahrhundert vor der Zerstörung durch Heinrich den Löwen 1189 ein wichtiges Handelszentrum war, das war Historikern und Archäologen bekannt. Doch das Bild von der Geschichte ist jetzt noch deutlicher geworden. "Durch unsere aktuellen Grabungen haben wir einen viel besseren Einblick in die frühmittelalterliche Stadt bekommen. Viele Vermutungen wurden bestätigt, etwa dass der Ort schon früh viel intensiver bebaut war als bislang angenommen", so Assendorp.

Die Archäologen legen seit 2007 geschichtsträchtigen Bardowicker Untergrund im Altdorf frei. An Stellen, an denen Bauprojekte anstehen oder bereits in die Tat umgesetzt werden: das Altenwohnzentrum an der Steinstraße nahe dem Dom, der Lidl-Markt an der Großen Straße, der Parkplatz am Bruns Weg und an einem Wohnhaus an der Rackerstraße. "Wir sind einen großen Schritt weitergekommen bei der Bestimmung der Bardowicker Geschichte", sagt Assendorp.

Die Arbeit in Bardowick sei das spannendste Feld für die Archäologen im Landkreis Lüneburg, sagt Assendorp. Kein Wunder bei der Ortsgeschichte. Bardowick ist einer der ältesten Orte Niedersachsens und wurde 795 das erste Mal urkundlich erwähnt. Seitdem ist die Geschichte der Ortschaft zweifelsfrei dokumentiert. Zeitgenössischen Chroniken zufolge hat Karl der Große 795 in unmittelbarer Nähe von Bardowick sein Lager aufgeschlagen, um mit einem Heer die Sachsen zu bekämpfen. Bardowick wurde zum Sitz eines königlichen Gesandten, der über den Handel auf den Fernstraßen nach Osten wachte. Im Diedenhofener Kapitular wurde 805 bestimmt, dass fränkische Kaufleute auf dem Weg in die nördlich der Elbe gelegenen slawischen Gebiete Bardowick passieren mussten.

Neben dem Handel erlangte Bardowick auch in politischer und kirchlicher Hinsicht zunehmend Bedeutung. Nachdem Karl der Große im 9. Jahrhundert ganz Sachsen unterworfen hatte, wurde Bardowick Sitz eines geistlichen Stifts, und als Grenzort gegen die heidnischen Slawen ausgebaut. Der Niedergang der Stadt wird von Historikern inzwischen weniger auf die Zerstörung 1189 zurückgeführt als auf die Abnahme der Bedeutung als Wirtschaftsmetropole. Bardowick fand nie zu alter Größe zurück.

Die aktuelle Ausgrabung läuft in der künftigen Baugrube für den Supermarkt zwischen Großer und Blöckenstraße. "Unsere Funde weisen auf einen Handwerkerplatz hin aus der Zeit, bevor Heinrich der Löwe in Bardowick gewütet hat", sagt Grabungsleiter Nils Stadje von der Firma Arcontor, einem Dienstleister für Archäologie und Geschichte, die im Auftrag des niedersächsischen Landesamtes für Archäologie im Domflecken tätig ist. Detlef Trapp, Mitarbeiter des Landesamtes, zählt die Funde auf: unter anderem Reste von Kämmen, Knochen, Geweihen, Münzen und einer Perlenkette aus Bronze. "Wir weisen Handwerk in unterschiedlichen Formen nach. Bardowick hatte eigene Produktionsstätten und lebte nicht nur vom Handel alleine", sagt er.

Jan Joost Assendorp sagt, es werde klar, dass Bardowick alles andere als eine kleine Provinzstadt war. "Wir haben auf dem Lidl-Grundstück mehrere Öfen entdeckt und sind auf Reste von Silber und Zinn gestoßen. Das weist auf eine Schmiede für Bunt- und Edelmetalle hin", so der Bezirksarchäologe. Erstaunt ist er darüber, dass fast an der gleichen Stelle bis vor wenigen Jahren noch immer eine Schmiede in Betrieb war. "Die Parzelleneinteilung der Grundstücke hat sich offenbar seit dem frühen Mittelalter kaum verändert." Denn auf der Fläche, die unmittelbar neben der einstigen mittelalterlichen Schmiede liegt, deute zwar alle darauf hin, dass dort ein Gebäude gestanden habe. Weitere Überreste vom Schmiedehandwerk seien jedoch nicht zu finden.

Für Assendorp heißt das, dass die Ortsstruktur Bardowicks uralt ist. "Es ist eindeutig, dass das Straßenbild sehr alt ist. Die Große Straße und die Blöckenstraße hat es im 9. und 10. Jahrhundert schon gegeben", sagt er. Nun sei die spannende Frage, wo die Wiege von Bardowick genau liegt. "Jetzt suchen wir die ganz alten Teile von Bardowick. An der Rackerstraße haben wir zum Beispiel schon Keramik aus dem 9. Jahrhundert gefunden", so der Bezirksarchäologe.

Er glaubt, der Ort sei parallel zur Ilmenau entstanden. "Die St. Johannisstraße vermittelt den Eindruck." Daraus schließt Assendorp, dass der Dom im 14. Jahrhundert am Rand des alten Stadtkerns gebaut wurde. "Wir benötigen aber mehr Material, um bei der Annahme sicher zu gehen."

Vordringlich gehe es für die Altertumsforscher nun darum, den ursprünglichen Verlauf der Ilmenau zu rekonstruieren, sagt er. "Der Fluss war wohl dichter dran am Altdorf, verlief näher an Johannisstraße und Huder Straße als heute." Bohrungen seien nötig für eine Bodenanalyse, die zeigen kann, ob das alte Flussbett verlandet ist oder zugeschüttet wurde. Doch wann die Ilmenau in den Fokus rückt, die Archäologen am Fluss forschen, steht noch nicht fest. "Zunächst machen wir auf der künftigen Lidl-Baustelle weiter. Bis Mai kommendes Jahres haben wir dort Spielraum für weitere Grabungen."

Assendorp referiert über die neuen Funde bei einer Veranstaltung des Bardowicker Windmühlenvereins am Dienstag, 22. November, um 19 Uhr im Gildehaus. Das Thema des Vortrages lautet: "Neue Erkenntnisse zur Werdung der mittelalterlichen Stadt."