Lüneburg und der Landkreis müssen sich auf einen wachsenden Anteil an Senioren einstellen - Insbesondere alternative Wohnformen sind gefragt.

Lüneburg. "Es hat durchaus seinen Grund, warum wir Lüneburg als Standort für die 4. Niedersächsische Fachtagung zum Thema Neues Wohnen im Alter ausgewählt haben", sagt Andrea Töllner. "Wir wollen auch für Lüneburg einen Anstoß geben", so die 44-jährige Juristin vom Niedersachsenbüro "Neues Wohnen im Alter" in Hannover. Diesem geht es um die Verbreitung innovativer Ideen im Bereich neuer Wohnformen. Anstöße, die Lüneburg und dem Landkreis gut gebrauchen können, denn alternative Wohnformen sind hier so gut wie unbekannt.

+++ Gemeinsam statt einsam wohnen +++

Dabei gilt es für die Region, sich auf zunehmend mehr und gleichzeitig ältere Bürger einzustellen. Der Landkreis ist ein attraktives Zuzugsgebiet. Prognostiziert ist ein stetiges Bevölkerungswachstum von drei Prozent. Hinzu kommen die Auswirkungen des demografischen Wandels, der noch mehr Ältere beschert. Unter diesen Menschen wird kaum jemand zu finden sein, der nicht so lange wie möglich selbstbestimmt im Alter wohnen möchte. Und das zu bezahlbaren Konditionen. Wohngruppenprojekte bieten hier einen Alternative, die immer mehr Menschen als ideale Lebensform für sich entdecken. "Der Lebensabschnitt, der nach der Arbeitszeit das Dasein eines Menschen bestimmt, umfasst etwa ein Drittel seinen gesamten Lebens", so Landrat Manfred Nahrstedt.

Damit das Leben auch im dritten Abschnitt attraktiv und lebenswert bleibt, muss sich etwas ändern. Großfamilien mit drei bis vier Generationen unter einem Dach sind im ländlichen Raum um Lüneburg passé. Und ihren Kindern möchten Senioren meist nicht zur Last fallen. Als Endstation bleibt vielen das Alten- oder Pflegeheim. Das wird sich solange nicht ändern, wie andere Wohnformen im Kreis nicht gefördert werden.

Wohngruppenprojekte sind etwas für Menschen aller Altersgruppen mit einem Sinn für die Gemeinschaft. Gemeinsam planen Alleinstehende, Familien mit Kindern, Paare über 50 und 60 Jahren, Senioren und Hochbetagte, Geringverdiener und Gutverdiener ihre Wohnidee. "Nur mit Älteren möchte ich nicht leben. Es ist doch schwierig, wenn alle gleichzeitig gebrechlich werden. Als älterer Mensch neigt man dazu, sich zu isolieren. Jüngere geben uns Älteren Anregungen und umgekehrt", sagt eine 64-jährige Teilnehmerin der Tagung.

Als Lüneburger Prestigeobjekt präsentierte sich in der Ritterakademie die Gruppe LeNa (Lebendige Nachbarschaft). Sie wird auf einem über 7000 Quadratmeter großen Grundstück am Brockwinkler Weg ein generationsübergreifendes Wohnprojekt für 30 Parteien verwirklichen. Baubeginn soll im Frühjahr 2012 sein. Ulrich Thomsen als Vertreter der frisch gegründeten LeNa-Genossenschaft hob die besondere Bedeutung einer notwendigen Unterstützung durch die Stadt hervor. "Die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft hat uns das Grundstück zu einem sehr günstigen Preis verkauft", so Thomsen.

Das im Landkreis erwähnenswerte Projekt hat die Gemeinde Vögelsen unter Bürgermeister Heinz Fricke angeschoben. "Wir haben kein Projekt für Jung und Alt in einem Haus, aber einen Bebauungsplan für Interessierte über 50. Dabei geht es um selbstständiges Wohnen im Alter und die Entstehung einer tragenden nachbarschaftlichen Gemeinschaft", so Bürgermeister Fricke. "Mit der Größe von 60 bis 90 Quadratmetern wollen wir signalisieren, dass in diesen Häusern Familien mit Kindern keinen Platz haben. In den Einfamilienhäusern allerdings schon." Investor und Projektentwicklung ist Alpha Projektentwicklung unter Peter Bogenschneider aus Bad Schwartau. Elf Doppelhäuser und drei Einfamilienhäuser werden demnächst entstehen. In Geesthacht hat Bogenschneider "ein gut funktionierendes generationsübergreifendes Wohnprojekt" mit acht Wohnungen in einem leer stehenden Baustoffmarkt realisiert. Diese Art des Bauens für Jung und Alt ist dem 54-Jährigen ein Bedürfnis geworden.

Wer im Kreis eine Wohngruppenprojekt starten möchte, kann sich bisher nicht auf die Kommunen verlassen. Eigeninitiative wie bei LeNa ist gefragt. Dabei profitieren auch die Kommunen von Wohnprojekten. Darüber referierte die Kölnerin Angelika Simbriger vom koelnInstitut iPEK: "Nachbarschaftliche Selbsthilfe entlastet das kommunale Hilfesystem und integrative Ansätze in gemischten Förderstrukturen beleben und stabilisieren Stadteile und Quartiere." Außerdem könnten Kommunen sicher sein, das keine lieblose sondern nachhaltige und schöne Architektur entstehe; ein Stück Baukultur. So nennt die Kölnerin eine Möglichkeit, die Einsamkeit im Alter zu überwinden.