Alleinerziehende stellen 28 Prozent der Lüneburger Familien. Meistens sind es Frauen. Autorin Christina Bylow wirbt für ein besseres Image.

Lüneburg. "Kinder allein großzuziehen ist nichts für Feiglinge", sagt Christina Bylow. Für ein besseres Bild von Alleinerziehenden in der Gesellschaft und bessere Strukturen setzt sie sich mit ihrem Buch "Familienstand: Alleinerziehend. Plädoyer für eine starke Lebensform" ein. Auch in Stadt und Landkreis Lüneburg gibt es einen gesellschaftlichen Trend zu dieser Familienform. In 28 Prozent der Familien werden die Kinder nur von der Mutter oder dem Vater betreut. "Dieses Plädoyer ist notwendig, weil Alleinerziehende oft diskriminiert wurden", sagt Bylow. Das betreffe insbesondere alleinerziehende Mütter. "Diese Diskussion war unter anderem ein Anstoß, das Buch zu schreiben", sagt sie.

30 Gespräche mit Betroffenen, Sozialarbeitern, Rechtsprofessoren und Betreuern hat sie geführt. Dabei habe sich der Eindruck bestätigt, dass zu 90 Prozent Frauen alleinerziehend sind. "Väter, auch nichteheliche, haben inzwischen nahezu dieselben Rechte in Bezug auf das Sorgerecht. Also müssen auch die Pflichten erfüllt werden", sagt die freie Journalistin und Autorin. Das Sorgerecht erhielten nach der Scheidung im Normalfall beide Eltern. Außerdem sei jeder selbst für seinen Unterhalt verantwortlich. "Es ist nicht gerecht, dass eine Frau Vollzeit arbeitet und Kinder betreut, während der Vater Vollzeit arbeitet, nicht in die Betreuung eingebunden ist und keinen Betreuungsunterhalt an die Frau zahlt", so die Buchautorin.

Auch die unterschiedlichen Bilder von alleinerziehenden Frauen und Männern in der Gesellschaft prangert Buchautorin Christina Bylow. "Alleinerziehende Väter werden bewundert, bei Müttern ist das selbstverständlich. Zudem müssen sie viel Kritik einstecken", sagt die 49-Jährige. Mütter bekämen oft vorgehalten, dass ihre Leistung ungenügend sei. "Davor schützt nur ein gutes Selbstverständnis", glaubt Christina Bylow.

Viele alleinerziehende Mütter hätten eine hohe soziale Kompetenz. "Sie sind gezwungen sich Hilfe zu holen und haben häufig ein gutes Netzwerk", sagt Bylow. Müsse eine Alleinerziehende verreisen, gäbe es oft Kooperationen mit anderen Müttern. "Kommunikations- und Kontaktfähigkeit sind als Alleinerziehende sehr wichtig", sagt Bylow. Anders als oft angenommen, sei der Bildungsstand der Alleinerziehenden nicht niedriger als der von anderen Müttern. Der Großteil sei außerdem berufstätig. Das Netzwerk werde dadurch noch wichtiger.

Mit ganz unterschiedlichen Lebensverhältnissen, Bedürfnissen und Alltagsproblemen müssen Alleinerziehende auch in Lüneburg klarkommen. Damit sie in Zukunft die richtigen Anlaufstellen auf Anhieb finden, gibt es seit Juli ein Dienstleistungsnetzwerk. Träger ist die Volkshochschule (VHS) Lüneburg. "Zurzeit stimmen die Partner ihre Angebote ab, damit doppelte oder überflüssige Wege wegfallen können", sagt Netzwerkmanagerin Sabine Eichhorn. Neben der VHS sind auch Stadt und Landkreis Lüneburg, Jobcenter und Arbeitsagentur sowie die Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft im Dienstleistungsnetzwerk vertreten.

Als Grundlage für dessen Arbeit befragen Masterstudenten der Lüneburger Universität gerade Alleinerziehende zu ihren Bedürfnissen.. Bis zum Frühjahr 2012 sollen die Befragungen abgeschlossen und ausgewertet sein.

"In Lüneburg gibt es kaum explizite Angebote für Alleinerziehende", sagt Eichhorn, denn das sei inzwischen eine gängige Familienform. Alle Angebote für Familien würden auch für Alleinerziehende gelten.

Trotzdem sieht sie Verbesserungsbedarf: "Es muss noch an der Betreuung in Randzeiten gearbeitet werden." Randzeiten sind Zeiten außerhalb der Regelbetreuungszeiten. "Viele Alleinerziehende haben eine Umschulung zu einem Pflegeberuf gemacht. Dort arbeiten sie in Schichten", sagt Eichhorn. In diesen Fällen reichten die regulären Betreuungszeiten nicht aus. Brigitte Kaminski, Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle Frau und Wirtschaft, glaubt, dass Lüneburg auf dem richtigen Weg sei: "Wir haben bereits 50 Unternehmen mit dem Fami-Siegel für besondere Familienfreundlichkeit ausgezeichnet."

Das reiche von der Großtagespflege über Möglichkeiten von zuhause aus zu arbeiten bis zu verschiedenen Arbeitszeitmodellen. "Es gibt auch immer mehr Möglichkeiten zur alternierenden Telearbeit", sagt Kaminski. Dabei werde abwechselnd von zuhause aus und im Unternehmen gearbeitet.

Aus ihrem Buch "Familienstand: Alleinerziehend. Plädoyer für eine starke Lebensform" liest Christina Bylow heute um 20 Uhr im Glockenhaus.