“Ein Schaf fürs Leben“ erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. Eine spannende Premiere, unterhaltsam und lehrreich.

Lüneburg. Der Hunger nagt. Er beißt und zwickt im Magen des Wolfs, doch das Wildschwein-Gehackte mit Mäuse-Gelee ist alle, und auch vom Hasenpudding und dem Eichhörnchen-Sorbet ist nichts mehr übrig. Also wirft sich das hungrige Tier in seinen Mantel und macht sich auf die Suche nach Essbarem. Zu Fressen findet er nichts. Aber "ein Schaf fürs Leben". Unterhaltsam, spannend und auch lehrreich erzählen die Schauspieler Thorsten Dara und Britta Focht die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. Beim kleinen Publikum im Jungen Theater T.3 gab es bei der gestrigen Premiere dafür jede Menge glänzende Augen.

"Mami, ich hab Angst!" Für den dreijährigen Philipp war die Geschichte mit dem scheinbar bösen Wolf geradezu Nerven zerfetzend. Doch gedacht ist "Ein Schaf fürs Leben" ohnehin für Kinder ab vier Jahren. Und für die ist ein Besuch von Stefan Behrendts Bühneninszenierung des Kinderbuchklassikers auf jeden Fall ein Erlebnis.

Schon allein beim Anblick der Bühne (Ausstattung: Erwin Bode) bekam beispielsweise der viereinhalbjährige Peter große Augen. Holztannen, glitzernd von Schnee und Eis. In der Mitte auf einem Podest ein kleiner Teich - Alu-glänzend die eiserne Oberfläche, umrahmt von Schilf. Und zwei große Kisten: eine kleinere mit Blumen(kohl)kasten und eine große, aufrecht stehende. "WOLF" steht daran geschrieben. Langsam öffnet sich die Türe, heraus schiebt sich ein schwarzes Wesen.

Einfach wunderbar verkörpert Thorsten Dara den bösen Wolf. Der aber eigentlich gar nicht so böse ist, sondern eigentlich recht sensibel. Er dichtet, ja, er singt sogar! Und ertappt sich irgendwann dabei, dass er mit dem leckeren, saftigen Schaf Fische fangen möchte. Wie entsetzlich unwölfisch, wenn das der Vater wüsste! Doch auch das naive, liebenswerte Schaf - herrlich: Britta Focht - entdeckt in sich wölfische Seiten, als es den Mond anheult und schließlich auch zu reimen beginnt. "Wolf, ich bin Dichter, genau wie du!"

"Ein Schaf fürs Leben" ist eine herzerwärmende Geschichte über Freundschaft, über Offenheit gegenüber dem Unbekannten, über das Über-sich-Hinauswachsen und dem Entschlüpfen aus Rollenbildern.

Und so ist die Inszenierung sogar für Erwachsene sehenswert. Nicht nur, dass kleine, doppeldeutige Bemerkungen am Rande amüsieren. Wie in jeder guten Kindergeschichte steckt auch in dieser viel Wahrheit: Es gibt nicht nur schwarz und weiß - was hier für Wolf und Schaf gilt, kann ohne weiteres auch auf Hautfarbe oder politische oder religiöse Gruppierungen übertragen werden. Denn ist es nicht so: Macht man sich die Mühe, den vermeintlichen Feind näher kennenzulernen, entdeckt man vielleicht Gemeinsamkeiten und lernt sich lieben. Das merkt auch der Wolf, als er mit gewetztem Messer hinter dem Schaf steht: "Nein! Ich kenne es! Das ist Schaf!", ruft er entsetzt. Und was man kennt, das frisst (fürchtet, hasst) man nicht.

Engagiert und mit viel Herz sind die beiden Schauspieler Dara und Focht bei der Sache. "Kindertheater ist kein Kinderkram", sagt dazu Intendant Hajo Fouquet. "Es besitzt für uns die gleiche Wertigkeit wie das Theater für Erwachsene." Und das gelte für alle drei Sparten. "Inzwischen", gibt Fouquet zu. "Die Tänzer haben im vergangenen Jahr erst einmal gemault, als sie für Kinder tanzen sollten." Nun hätte aber auch die Balletttruppe erkannt, wie wichtig und erfüllend diese Arbeit sei.

Für den Regisseur stelle eine Kinder-Produktion eine besondere Herausforderung dar. "Das funktioniert nicht über Worte. Man muss Bilder und Wahrheiten suchen, die den Weg in die kleine Seele finden. Das hat viel mit Sinnlichkeit und weniger mit Intellekt zu tun." Denn, so Fouquet, Kinder werden schließlich nicht ruhig, nur weil man "Ruhe!" schreit. Nein, man muss sie packen.

Beim "Schaf fürs Leben" ist das gelungen. Mucksmäuschenstill und konzentriert fieberten die 140 kleinen Besucher mit, sie lachten und sie zitterten, sie litten mit dem Wolf und drückten dem Schaf die Daumen. Viel zu kurz erschienen dem kleinen Peter die fünfzig Minuten, die die Vorstellung dauerte: "Mama, was kommt jetzt? Ich will es noch mal sehen, ich gehe jetzt nicht nach Hause!", maulte er lauthals.

Ein Schaf fürs Leben Weitere Vorstellungen am 5. und 21. November sowie am 3. Dezember. Karten bei der Theaterkasse, Telefon 04131/42100.