Die Kundgebung zum Aktionstag zog 150 Atomkraftgegner nach Lüneburg. Aktivisten bereiten sich auf Atommülltransport vor.

Lüneburg. Der 29. Oktober ist für Castor-Gegner in Deutschland ein wichtiges Datum. Jedes Jahr rufen sie an diesem Tag zum bundesweiten Castor-Aktionstag auf. Die Aktivisten wollen in verschiedenen Städten auf die Gefahren der Castor-Transporte aufmerksam machen. Auch auf dem Lüneburger Bahnhofsvorplatz versammelten sich am vergangenen Sonnabend 150 Menschen aus diesem Anlass. Vertreter des Bündnisses Castor-Plenum sprachen über die Atompolitik und den geplanten Atommülltransport im November. Anschließend machten einige Castor-Gegner eine Radtour entlang der Transporttrecke.

"Was die Politiker als Atomausstieg verkünden, ist kein richtiger Ausstieg", sagt Dirk Werner. Der 43-Jährige ist Sprecher des Lüneburger Anti-Atom-Bündnisses Castor-Plenum. Verschiedene Gruppen und Einzelpersonen, die sich gegen Atommülltransporte aussprechen, organisieren im Castor-Plenum die Proteste rund um Lüneburg.

+++Atomgegner starten Proteste gegen umstrittenen Transport+++

Am 30. Juni hat der Bundestag den Atomausstieg bis 2022 beschlossen. Dirk Werner reicht das nicht: "Kernkraftwerke wie Krümmel, die sowieso die meiste Zeit stillstanden, wurden vom Netz genommen. Trotzdem ist die Gefahr nicht gebannt." Denn die Brennstäbe seien immer noch in den Atomkraftwerken, das Restrisiko bleibe bestehen. Auch die Atommülltransporte würden weiter durch Deutschland rollen. Ende November ist der 13. und letzte Castor-Transport nach Gorleben geplant. "Die strahlende Fracht steht oft stundenlang in unserer Stadt. Sie strahlt so sehr, dass Grenzwerte überschritten wurden", so Werner. Erst in der vergangenen Woche hatte die Umweltorganisation Greenpeace dem niedersächsischen Umweltministerium falsche Strahlenmessungen an der Lagerstätte vorgeworfen. Greenpeace geht davon aus, dass der gesetzliche Grenzwert von 0,3 Millisievert bereits überschritten wurde. "Der nächste Castor würde diesen Wert weiter erhöhen und ist somit ausgeschlossen", so Castor-Plenum-Sprecher Dirk Werner. Das sieht auch seine Mitstreiterin Petra Kruse-Runge so. "Mit der Überschreitung der Grenzwerte ist die Betriebsgenehmigung für Gorleben erloschen", sagt sie.

Guthild Raikowski aus Lüneburg ist seit 1976 bei den Protesten gegen Atomkraft dabei. Von den Versprechungen der Politik zum Atomausstieg ist sie enttäuscht. "Es wurde schnell gekippt, was erst groß versprochen wurde", sagt sie. Sie setzt sich für die kommenden Generationen gegen Kernkraft ein. "Ich bin doch verantwortlich für meine Enkelkinder", sagt die 68-Jährige.

Die Atomkraftgegner befürchten, dass Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) ein Endlagersuchgesetz mit Gorleben als favorisiertem Standort durchdrücken wolle. "Dabei war Gorleben, seit 1976 die Endlagersuche begann, nie vorgesehen", sagt Dirk Werner. Im Untersuchungsausschuss sei herausgekommen, dass der Salzstock als mögliches Endlager auch nie offiziell benannt wurde. "Seit klar ist, dass die Wasser führende Schicht im Salzstock nicht von einer Tonschicht geschützt ist, hätte man sich anderen geologischen Möglichkeiten zuwenden müssen", glaubt Werner.

Detlef Michaelse aus Horburg wohnt nur wenige Kilometer vom Kernkraftwerk Krümmel entfernt. "In Deutschland werden wir kein geeignetes Endlager finden", glaubt er. Schuld ist aus seiner Sicht der bisherige Umgang mit der Endlagersuche. "Überall wird sich Protest regen. Es gab bisher einfach zu viel Lug und Betrug", sagt der 72-Jährige. Ein Zeichen setzen und auf die Problematik aufmerksam machen, wollten die 70 Castor-Gegner, die sich anschließend zur Radtour aufmachen. An der Castor-Strecke entlang bis nach Deutsch Evern fuhren die Teilnehmer. Einige stellten an der Strecke ein gelb gestrichenes X auf. "Castor 2011. Wir kommen zum Zug" steht auf den Protestsymbolen. Birgit Fröling ist aus Hamburg zur Kundgebung nach Lüneburg gekommen. Mit dem Klapprad fährt sie die Radtour mit. "Gegen alles was mit Atomkraft zu tun hat, habe ich eine ziemliche Allergie", sagt sie. Der Atomausstieg gehe aus ihrer Sicht zu langsam. "Die Abschaltung der Kernkraftwerke zieht sich zu lange hin", sagt Birgit Fröling. Die wenigen abgeschalteten Kernkraftwerke blieben trotzdem gefährlich, das Restrisiko bliebe schließlich bestehen.

Das Castor-Plenum will in diesem Jahr viele Aktionen gegen den Castor-Transport begleiten. "Der Zirkus kommt in die Stadt und bringt einen Sonderzug mit. Wir werden den Zirkus begleiten", sagt Lennard Aldag, Regionssekretär beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Nord-Ost Niedersachsen. Castor-Plenum-Sprecherin Petra Kruse-Runge ruft zu einer Menschenblockade auf. Die soll den Zug aufhalten.

"In diesem Jahr stoppen wir den Zug schon vor Lüneburg", sagt sie. Die Atomkraftgegner gehen davon aus, dass der Castor am 24. November im französischen La Hague startet. Das Innenministerium hält den genauen Termin auch in diesem Jahr geheim. Vorher werden die verschiedenen Lüneburger Anti-Atom-Gruppen Infoveranstaltungen und Aktionstrainings durchführen. Am Freitag, 25. November, um 18 Uhr treffen sich Atomkraftgegner im Lüneburger Clamartpark zur Demonstration.

Ob der Atommülltransport jedoch tatsächlich in diesem Jahr rollt, ist bisher unklar. Nach der Aufregung um erhöhte Strahlenwerte im Zwischenlager Gorleben, will der Niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) am Dienstag, 1. November, bekannt geben, ob und wann der Transport fährt. (abendblatt.de)