Peter Novotny von der Stiftung schlägt Alarm. Auflagen nicht mehr nachvollziehbar

Scharnebeck. Peter Novotny versteht die Welt nicht mehr, besser gesagt, die Zollausfuhr Bestimmungen. Gerade hat er einen Lkw, beladen mit Hilfsgütern für die Ukraine, durch den Lüneburger Zoll gebracht und musste am eigenen Leib erfahren, wie Zollbestimmungen einem Menschen das Helfen schwer machen können. "Das ist inzwischen der reinste Behördenwahnsinn, den man da durchlebt. Allein das Ausfüllen aller Dokumente dauert jetzt, mit den neuen Bestimmungen, genauso lange, wie das Beladen des Lkw. Ich hätte den Lkw nie im Leben über den Zoll gebracht, wenn mir die netten Zollbeamten nicht geholfen hätten", sagt der Vorstand der Stiftung Hof Schlüter.

Der letzte Lkw wäre um ein Haar nicht durch den Zoll gekommen, weil Novotny beim Zollamt von den Beamten erfuhr, er brauche jetzt auch eine eigene Zollnummer. Weil er die nicht hatte, musste er, der Lkw stand noch vor dem Lager der Stiftung, nach Salzhausen zu einer Zolldeklarationsgesellschaft fahren. Dort durfte er den Computer benutzen, um wenigstens den Antrag auf eine Zollnummer im Internet zu stellen und in die anderen Zollanwendungen im Internet zu kommen. Novotny: "Mit dem Antrag für die Zollnummer fuhr ich zum Lüneburger Zollamt. Die Zollbeamten hatten mir vorher zugesagt, den Antrag auf die Zollnummer zu akzeptieren. Sonst hätte ich mehrere Wochen auf meine Zollnummer warten müssen, bis ich den Lkw hätte losschicken können", sagt der Scharnebecker.

Die Lüneburger Stiftung leistet unter anderem humanitäre Hilfe in der ukrainischen Stadt Bila Zerkwa. Mit den Lkw schickt die Stiftung zumeist Kleiderspenden, aber auch Krankenhausbetten, medizinische Geräte und vieles mehr in das bitterarme Land.

"Der Bürokratieaufwand, den ich jetzt betreiben muss, ist enorm. Inzwischen dauert die Abwicklung aller Formalitäten für die Zollausfuhr mehr als drei Stunden. Das ist genauso lange, wie wir brauchen, um einen 40-Tonner mit Hilfsgütern zu beladen. Das kann es doch nicht sein", so Novotny. Seit 2004 schickt die Stiftung jedes Jahr mehrere Lkw mit Hilfsgütern in die Ukraine, zuständig ist das Zollamt in Lüneburg. Hier werden die Lkw verplombt und dann auf die mehr als 1700 Kilometer lange Reise quer durch Polen geschickt. Bis zum Jahr 2009 füllte Novotny einen Durchschlagbogen im DIN A 4 Format aus. Der Arbeitsaufwand: rund 30 Minuten. "Beim ersten Ausfüllen halfen mir die Zollbeamten in Lüneburg. Danach konnte ich die Papiere alleine fertig machen, weil das alles auch nachvollziehbar und verständlich war", so der ehemalige Straßenbau-Ingenieur, der bis zu seiner Pensionierung im Dienst der niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr stand. Bis Mitte 2009 schickte die Stiftung so insgesamt 32 Lkw mit rund 450 Tonnen Hilfsgütern für die Menschen in die Ukraine.

In der zweiten Hälfte des Jahres 2009 brauchte Novotny plötzlich nicht mehr nur noch eine Anmeldung. Das ganze System wurde vom Bundesfinanzministerium, zuständig für die Zollbestimmungen, umgestellt. Nun muss er für jeden Hilfstransport im Internet eine Versandanmeldung und eine Ausfuhranmeldung ausfüllen. Novotny muss auch den Wert der Spenden, den Verkehrsweg und den Empfänger der Spenden angeben. Peter Novotny: "Beim ersten Ausfüllen halfen mir wieder die Zollbeamten, bis ich das System verstanden hatte. Der Aufwand war zwar größer, aber noch zu verstehen. Die Bestimmungen und Auflagen, die ich jetzt seit dem 1. September 2011 erfüllen muss, sind nicht mehr nachvollziehbar."

Jetzt kann Novotny die Versandanmeldung für die Hilfstransporte nur noch im Internet ausfüllen. Um an die nötigen Formulare für die Ausfuhranmeldung zu kommen, braucht er jetzt plötzlich eine Zollnummer, ein Elster-Zertifikat und eine PIN-Nummer. Novotny: "Die Zollnummer sollte ich in Dresden bei der zuständigen Behörde beantragen. Die Nummer wird ausschließlich auf dem Postweg vergeben, und das dauert eben mehrere Wochen. Auch an das Elster-Zertifikat kommt Novotny nicht so einfach: Bei der Software für die Steueranmeldung braucht er eine Steuernummer. Die Stiftung zahlt keine Steuern. Sie ist gemeinnützig. Novotny: "Ich rief die Elster-Hotline an und bat um Hilfe. Dort teilte man mir mit, dass der Eingang in die Internet Zollausfuhranmeldung erst möglich sei, wenn die Behörde die Zulässigkeit der Zollnummer der Stiftung mit meinem Elster Zertifikat in das System eingegeben hat."

Es sei doch kaum noch vermittelbar, welche Steine die Behörden Stiftungen in den Weg legen. Auch an das zuständige Ministerium in Berlin wandte sich der Scharnebecker, in der Hoffnung, dort Hilfe zu bekommen. Man habe ihm lediglich mitgeteilt, "dass diese Neuerungen den Verwaltungsaufwand vereinfachen sollen", sagt Novotny. Peter Novotny: "Ich weiß von einigen kleineren Hilfsorganisationen, die aufgegeben haben, Hilfsgüter ins Ausland zu schicken, weil sie diesen Aufwand nicht betreiben können."

Aus der zuständigen Bundesfinanzdirektion in Potsdam hieß es auf Nachfrage des Abendblatts lediglich, dass es eben "leider so sei, dass die Globalisierung nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich bringe. Das klinge alles, so ein Mitarbeiter der Direktion, "sehr bürokratisch, ist es wahrscheinlich auch".

In seiner Not hat Novotny jetzt dem Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) einen Brief geschrieben und ihm darin seine Odyssee durch die Zollbestimmungen geschildert: "Warum wird gemeinnützigen Einrichtungen mit dieser ausufernden Bürokratie und der kaum noch zu durchschauenden Informationstechnik humanitäre Hilfe so schwer gemacht?" Einen zweiten Brief hat Peter Novotny an das Ministerium für Finanzen in Berlin geschickt.