Die Nordeuropäische Erdgasleitung hat von Süden kommend die Elbe erreicht. Mehr als ein Kilometer Rohre werden dafür verschweißt.

Barförde. Wo bis vor kurzem der Mais in den Himmel wuchs, bahnt sich jetzt eine über 20 Meter breite Schneise einen Weg quer durch das Feld. Seitlich lagert abgetragene Mutterboden, in dem mit schwerem Sand aufgefüllten Schlag reihen sich riesige Stahlrohre aneinander. 56 an der Zahl. Ein jedes ist 17,5 Meter lang, 2,23 Zentimeter dick, 15 Tonnen schwer und hat einen Durchmesser von 1,40 Meter.

Ein wenige Quadratmeter messendes Zelt schwingt an einem Bau-Fahrzeug und wird am Ende eines Rohres abgesetzt. Zwei Arbeiter in Schutzanzügen gehen hinein. Ausgerüstet mit ganz speziellen Schweißmaschinen verbinden sie zwei der Rohre.

Die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL), durch die künftig russisches Gas von Lubmin bei Greifswald bis nach Rehden bei Bremen fließen soll, hat von Süden kommend die Elbe bei Barförde erreicht. Es ist die letzte Großbaustelle in der Samtgemeinde Scharnebeck. Dort werden die gelagerten Rohre zu einem 1080 Meter langen Strang zusammengeschweißt.

"Dieser Strang wird dann, wenn es an die Elbquerung geht, durch einen vorbereiteten Tunnel, der bis zu 15 Metern unter dem Flussbett verläuft auf die andere Elbseite bei Horst gezogen", sagt Wingas-Bauleiter Sönke Deppe. Die Unterquerung soll bis Jahresende vollendet sein. Das europäische Erdgasunternehmen Wingas realisiert die Leitung zusammen mit der E.on Ruhrgas AG. Den späteren Betrieb übernimmt für Wingas die Tochtergesellschaft Opal NEL Transport GmbH.

Die für die Trasse ausgewählten Rohre aus hochwertigem Stahl werden von speziell geschulten und geprüften Schweißern zusammengeschweißt. Es sind Mitarbeiter des italienischen Bauunternehmens Bonatti, das spezialisierte ist auf den Pipelinebau. Die Anforderungen an die Schweißtechniker sind, bei denen für den NEL-Bau eingesetzten Rohren aus Feinkornstaubstahl, höher als bei einfachen Pipelinerohen. So muss beispielsweise eine hohe Vorwärmtemperatur zwischen 120 und 140 Grad herrschen, bevor die Rohre miteinander verbunden werden.

Sven Schwarz von der Firma Bonatti und zuständig für die Schweißaufsicht erklärt: "Aus acht Lagen besteht eine Schweißnaht. Es geht darum, 15 Tonnen schwere Rohre auf den Millimeter genau zusammen zu schweißen." Bei einer Stärke von 20 Millimeter Rohrwandung dauert der gesamte Vorgang rund drei Stunden. "Der Bau der Trasse ist eine riesige Maßnahme, bei der jedes kleine Detail passen muss", so Sönke Deppe.

Jede Schweißnaht werde einer Prüfung unterzogen, die vom TÜV begutachtet und abgenommen werde. "Das Ergebnis der Untersuchung wird protokolliert", so Deppe. Nach Abschluss der Bauphase wird die gesamte Leitung einer speziellen Druckprüfung mit Wasser unterzogen. Bei diesem so genannten Stresstest wird die Leitung bis zur tatsächlichen Streckgrenze des Werkstoffes belastet. Dies entspricht einer deutlich höheren Druckbelastung als im späteren Betrieb der Leitung.

Parallel zu der Erdgasleitung werden für die Überwachung und Steuerung der Erdgasströme Lichtwellenleiter verlegt worden, die für die öffentliche Telekommunikation mit genutzt werden können. Sie bieten eine Chance, die bisher zahlreichen "weißen Flecken" in der DSL-Anbindung in den überwiegend ländlichen Regionen entlang der Leitungstrasse zu beseitigen.

Vom mecklenburgischen Horst wird dann für den Rohrstrang ein Tunnel unterhalb der Elbe ins Erdreich gebohrt. Die Arbeiten beginnen mit den Eintritts- und Austrittspunkten der Unterquerung. Dafür wird eine steuerbare Bohrstange mit Hilfe eines Ortungssystems entlang der geplanten Bohrtrasse geleitet. Schließlich wird von niedersächsischer Seite aus der vormontierte und überprüfte 1080 Meter lange und mit Glasfaser verkleidete Rohrstrang durch den entstandenen Tunnel unter den Fluss geführt. "Diese kann an der tiefsten Stelle 15 Meter betragen. Zehn bis zwölf Meter wird die Gastrasse unter den Deichen liegen", sagt Bauingenieur Deppe.

Ab 2012 soll die NEL in Lubmin Erdgas von der Nord Stream Pipeline übernehmen und in Richtung Westen zu den bereits bestehenden Gasnetzen und zum Erdgasspeicher in Rehden transportieren. Die Gesamtlänge der Trasse beträgt rund 440 Kilometer, davon führen rund 240 Kilometer durch Mecklenburg-Vorpommern und rund 200 Kilometer durch Niedersachsen. Mit einer Transportkapazität von rund 20 Milliarden Kubikmetern Erdgas pro Jahr gehört die Leitung zu den größten Projekten in Deutschland. Die Gesamtinvestition beträgt eine Milliarde Euro. (abendblatt.de)