Sechs Lehrerinnen nehmen unter dem Namen The Teach Girls sich und ihren Beruf auf die Schippe. Das hilft ihnen durch den Alltag.

Lüneburg. Es gibt Hoffnung für das verschlafene Kollegium: Ein neuer Schulleiter kommt. Bei so vielen Frauen sollte endlich mal ein Mann für Ordnung sorgen. Musiklehrerin Moll blüht kurz vor ihrer Pensionierung noch einmal auf und plant gleich ein größeres musikalisches Projekt. Frau Treckmann turnt zur Trillerpfeife vor. Frau Scheuer-Ehrenfeld glaubt, dass sie die perfekte rechte Hand des neuen Chefs abgeben würde. Das sieht ihre ehemalige Anwärterin Babette genauso. Hilla Fernandez hat ganz andere Probleme: Privat hatte sie seit Wochen keinen Pinsel mehr in der Hand und steht kurz vor einem Burn-out. Und als ob der Alltag nicht schon schlimm genug wäre, jede Lehrerin hat auch noch ein lästiges Privatleben.

"Hoffnung kann man lernen" heißt das zweite Stück der Teach Girls. Das sind sechs aktive und ehemalige Lehrerinnen von Lüneburger Grund-, Haupt- und Realschulen. Rollen, Musik, Stücke, alles entwickeln die Teach Girls selbst. "Wir bezeichnen uns selbst als kreative Supervisionsgruppe", sagt Grundschullehrerein Janina Stenzel.

Als Janina Stenzel 2003 mit zwei weiteren Sängerinnen und einer Pianistin unter dem Namen "Ursel-Sisters" auftrat, hielt sie das Projekt für eine einmalige Sache. "Wir waren die Clown-Nummer", erinnert sich die 43-Jährige. Dann fragte der Generalmusikdirektor des Theaters die Gruppe jedoch, ob sie nicht beim Neujahrsempfang auftreten wollten. "Ich hielt es für einen Scherz", sagt Janina Stenzel. Nachdem sie beim Neujahrsempfang Blut geleckt hatten, wollten die kreativen Lehrerinnen weiter zusammen arbeiten. "Wir wollten unser erstes Stück über den Lehrer-Alltag machen. Manche Themen sind in jedem Lehrerzimmer gleich", sagt Janina Stenzel, "uns ist aufgefallen, dass das Chaos nicht individuell ist." Autorität und Hierarchie seien Themen, die immer wieder auftauchten.

Manches weiche beim Schaffensprozess vom üblichen Verfahren ab, sagt Claudia Moeller, 65, inzwischen pensionierte Grundschullehrerin: "An anderen Schulen gibt es auch Lehrertheater. Das wird aber meist von einer Theaterpädagogin geleitet." Um ein Stück zu schreiben, werde meist sehr lange improvisiert. Alle guten Improvisationen würden in den Text aufgenommen. "Hier plaudern wir und dann hat Janina am nächsten Tag wieder eine ganze Szene fertig geschrieben", sagt Claudia Moeller. Die Ideen kommen aus dem eigenen Schulalltag oder von Kollegen. "Wir sind ein Ventil für sie", sagt Julia Stenzel, "sie erzählen uns Anekdoten oder stecken uns idiotische Erlasse oder abgehobene Fortbildungen für unser Stück zu." Dem pflichtet Claudia Moeller bei: "Sie fiebern richtig mit und freuen sich auf unsere Stücke."

Die Charaktere haben die Lehrerinnen selbst entwickelt: Die Statusbewusste kommt mit Hierarchien gut zurecht und hat eine loyale Kollegin, die sehr angepasst, bemüht und ängstlich ist. Die Kreative ist flippig, die Sportliche packt alles an und die Musiklehrerin bricht alles auf ein menschliches Maß herunter und sorgt für eine gemütliche Atmosphäre.

Für Claudia Moeller musste allerdings eine neue Rolle geschaffen werden. "Ich kann als einzige nicht singen", sagt sie. Für die anderen war das ein Problem. "Die Musik trägt sehr viel zur Komik bei", sagt Gundula Feller. Die Lehrerin und Organistin spielt die Musiklehrerin und begleitet die Sängerinnen auf dem Klavier. "Wenn zum Beispiel eine Lehrerin bei der Konferenz einschläft, singen wir ein Schlaflied", sagt sie.

Claudia Moeller spielt jetzt die Putzfrau. "Sie kann zwar nicht singen, hat aber noch einmal eine ganz andere Sicht auf die Dinge", sagt sie. Über die Teach Girls lachen nicht nur Lehrer. "Schule ist ein Gesellschaftsthema", sagt Janina Stenzel. Bei der letzten Aufführung seien so viele Menschen gekommen, dass eine halbe Stunde vor Aufführungsbeginn kein Stehplatz mehr frei gewesen sei. Trotzdem wird die Stammbühne der Teach Girls die Aula der Sankt-Ursula-Schule bleiben. "Wie wir müssen die Zuschauer auf den Kinderstühlen sitzen und die leicht demolierten Toiletten benutzen. Wir sind ganz nah dran am echten Leben", sagt Janina Stenzel. Außerdem habe man sich, laut Claudia Moeller, gegen Mikrofone entschieden: "Wir wollen uns natürlich bewegen."

Doch nicht nur Spaß treibt die Lehrerinnen an. "Es fühlt sich gut an über den Alltag lachen zu dürfen", sagt Janina Stenzel. Als Lehrerin könne man den Anforderungen von sich selbst, aller Eltern und der Vorgesetzten einfach nicht gerecht werden. "Beim Erarbeiten der Stücke haben wir gemerkt, dass es allen anderen ähnlich geht", sagt die Grundschullehrerin. Das nächste Mal führen die Teach Girls ihr Stück "Hoffnung kann man lernen" am Sonnabend und Sonntag, 1. und 2. Oktober, um 19.30 Uhr in der Sankt-Ursula-Schule, Wallstraße 2 auf. Der Eintritt ist frei, die Schauspielerinnen freuen sich über Spenden.